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Das MUMOK zeigt einen exzellenten Querschnitt durch alle Werkblöcke von Yves Klein.

Kaum einer der wegweisenden Künstler aus der Nachkriegsgeneration ruft derartig zwiespältige Reaktionen hervor wie Yves Klein: überschwänglich gefeiert von den einen, als Scharlatan abgestempelt von den anderen. Wenn jemand diese Diskussion so lange wach halten kann, legt sich die Vermutung nahe, dass er ein guter Künstler gewesen sein muss. Auf welche Seite man sich nun bei einer persönlichen Beurteilung schlagen möchte, die Retrospektive im Museum Moderner Kunst bietet dazu einen exzellenten Querschnitt durch alle Werkblöcke, präsentiert daraus jeweils zentrale Beispiele und ergänzt die "immaterielle" Seite mit erstklassigem Dokumentationsmaterial in Form von Fotografien und Videos.

Zwar kann man einer Vermittlungsinstitution wie einem Museum zugestehen, dass sie auch die Biografie eines Künstlers in eine Ausstellung integriert. Aber gleich als Begrüßung, opulent in Bild und Film? Im Falle von Yves Klein ist dies genau der richtige Platz. Bei ihm geht es in erster Linie um die Person, um seine Person, um seine Person als Künstler. Sein gesamtes Werk kann als Inszenierung seiner Person gelesen und betrachtet werden. Wenngleich sich das bei jedem Künstler derartig darstellt, so ist doch Klein einer der ersten, der diesen Umstand - mit Augenzwinkern bei gleichzeitig todernster Miene - zum Programm seines Schaffens erhebt. Unweigerlich bringt er dabei im Huckepack die Kunstszene mit ihren manipulativen Meinungsmachern und den Kunstmarkt mit seinen Strategien der Geld-statt der Kulturvermehrung mit hinein.

Vom Judo zur Kunst

Der 1928 als Sohn eines Künstlerehepaares geborene Klein verbringt, bedingt durch die Karriere seiner Eltern, als Heranwachsender viel Zeit bei seiner Tante. Er scheint sich anfänglich nicht für eine künstlerische Laufbahn zu interessieren, es zieht ihn eher zum Judo, zu dessen Studium er sich nach Japan begibt. Möchte man dann die Ereignisse rekonstruieren, die zum Künstler Yves Klein geführt haben, stößt man auf seine Inszenierungen, auf eine mit Methode durchgezogene Selbstmythisierung. Ständig verlagert er aktuelle Erkenntnisse und Erzeugnisse in die Vergangenheit zurück und zieht dabei aus dem Wissen der inzwischen vergangenen Zeit Profit. Sollte man darüber nicht die Nase rümpfen?

Die Versuchung dazu ist groß, aber gerechtfertigt wäre es nicht. Denn Klein exerziert bloß die Mechanismen unserer kapitalistischen Gesellschaftsordnung vor. Vielleicht übertreibt er hie und da, aber aufs Ganze gesehen war er so etwas wie der Prototyp einer Ich-AG. Und auch ein zweiter Grund verbietet diese überhebliche Abkehr, denn Klein hat ein bahnbrechendes Œuvre anzubieten, Werke und Ideen, die in den 45 Jahren seit seinem Tod nichts von ihrer Faszination verloren haben und von denen viele Ich-AGler nur träumen können.

Zumindest in der offiziellen Klein'schen Version beginnt er seine Laufbahn mit wahrscheinlich nie existiert habenden monochromen Bildern, die er im nachhinein in einem vorgetäuschten Katalog publiziert. Spätpubertär angewidert vom Kunstgespräch, wie er es in den Künstlertreffen bei seinen Eltern erlebt hat, strebt er einer Reinheit zu, die sich aus einer Mischung aus christlicher Heiligenverehrung - er pilgert mehrmals mit seiner Tante zur Heiligen Rita nach Cascia - und esoterischen Aufstiegsschemata zusammenbraut - die Darlegung des Rosenkreuzertums durch Max Heindel gehört zu seinem intensivsten Lesestoff.

Die Leere in Blau

Kämpferisch formuliert Klein:

Ich verabscheue die Künstler, die sich in ihre Bilder entleeren; dieser Morbidismus! Statt ans Schöne, Gute, ans Wahre zu denken, schütten, ejakulieren, spucken sie all ihre entsetzliche, faulige, infektiöse Kompliziertheit in ihre Malerei, wie um sich zu erleichtern und "den anderen", "den Betrachtern" ihrer Werke all die Schuldgefühle des Versagens aufzubürden.

1956 stellt er dann tatsächlich einfärbige Bilder aus, das Ergebnis enttäuscht ihn aber. Er wollte jegliche Ablenkung ausschalten, aber die unterschiedlichen Farbflächen "störten" sich gegenseitig. Die Folge davon ist sein breiter bekanntes Markenzeichen: Flächen in allen Größen in einem tiefen Blau.

Mit diesem Blau hat er dann den Status einer "immateriellen" Kunst, einer Kunst, die der Erhebung dient, erreicht. Alles andere scheint nur mehr eine Draufgabe zu sein: die Erweiterung zur "heiligen Drei", indem zum Blau noch Rosa und Gold dazukommen - alle drei aufgeladen mit einer langen symbolischen Tradition; oder wenn er in einer Ausstellung buchstäblich die "Leere" in Form eines leeren Raumes ausstellt, wenn er Architekturen aus Luft und Wasser bauen will, wenn er das Feuer als Instrument der Malerei einsetzt. Vielleicht erzählt uns Yves Klein nur Märchen - wenn er als "Maler der Leere" leibhaftig in den Raum springt -, manchmal sind aber Märchen realistischer als die Wirklichkeit. Und wenn er nicht gelandet ist, dann schwebt er sicher noch heute.

Yves Klein, Die blaue Revolution

Museum Moderner Kunst Stiftung

Ludwig, Museumsplatz 1, 1070 Wien

www.mumok.at

Bis 3.6. Mo-So 10-18, Do 10-21 Uhr

Katalog: Museum Moderner Kunst (Hg.), Yves Klein. Ostfildern 2007,

304 Seiten, € 39,90

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