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Figaros prunkvolle Hochzeit
Die Mozart-Renaissance nach 1945, speziell der Wiener und der Salzburger Mozart-Stil, sind mit den Namen Schuh und Rennert, Neher und Maximowna, Böhm und Krips verbunden. Die Neuinszenierung von „Die Hochzeit des Figaro“ in der Staatsoper wurde Leopold Lindtberg anvertraut, der dm Großen Haus am Ring bisher nur ein einziges Werk, nämlich „Die Fledermaus“ inszeniert hat, alber in der übrigen Welt als Mozart-Regisseur einen sehr guten Ruf hat. (Sein Frankfurter „Figaro“ aus dem Mozart-Jahr 1956 steht heute noch auf dem Spielplan bei Harry Buckwitz.)
Lindtbergs Erfolg, der durchaus positive Gesamteindruck, den diese seine letzte Inszenierung hinterläßt, resultiert in erster Linie aus der natürlichen, unmanierierten und unverkrampften Führung der Hauptpersonen. Daß er hierbei einen recht robusten Figaro in den Mittelpunkt rückt und die poetische Gestalt des Pagen ganz an den Rand drängt, entspricht seinem realistischen Konzept ebenso wie die Vernachlässigung der Gräfin. — Auch kann sich Lindtberg auf ein bewährtes, erstklassiges Team spielgewandter Mozart-Sänger stützen: Eberhard Wächter — Graf Almavia (ohne bemerkenswerte persönliche Ausstrahlung), Hilde Güden — Gräfin (eine klassische Besetzung dieser schwierigen Partie), Reri Grast — Susanne (ausgelassen und diszipliniert, mit einer großen Zahl farbiger Stimmregisfber), Walter Berry — Figaro (ein wenig grob-vital und nicht sehr elegant, aber gut bei Stimme), Olivera MiljakoviC — Cherubino (eine Fehlbesetzung, trotz stimmlicher Qualitäten, allenfalls vom Regisseur nicht richtig geführt oder mißverstanden), sowie sämtliche Nebenrollen (Rössel-Majdan, Dickie, Equlluz, Czerwenka, Pan-tscheff usw.).
Was hält sie alle zusammen, welches ist — außer ihrem unterschiedlich artikulierten Italienisch — der gemeinsame Familienzug aller dieser Schloßbewohner? Lindtberg sieht ihn in ihrem raschen romanischen Temperament. Schnell wechseln sie vom Ernst zum Scherz, heftig vom Scherz zum Zorn, schnell werden sie böse, aber ebenso plötzlich sind sie wieder versöhnt. Sie kennen einander auch darin, sie rechnen mit den rasch wechselnden Launen, und sie wissen auch über sich selbst Bescheid. So entsteht um sie die heitere Aura von Ironie und Selbstironie. — Dies alles im Geiste Mozarts zu realisieren ist Karl Böhm auch heute noch der Richtige,vielleicht der Allerbeste. Das wußten wir. Neu ist vor allem das Optische dieser Inszenierung, die ja auch in Montreal dm Rahmen des Gastspiels der Wiener Staatsoper gezeigt werden soll und wohl auch, ein wenig im Hinblick auf den Export gestaltet wurde.
Den vier Bildern von Teo Otto muß man zunächst Einheitlichkeit und Konsequenz nachrühmen. Die geschlossenen Räume und die strenge Symmetrie aller Bilder spiegelt eine völlig Intakte aristokratische Luxuswelt, die mit Sinn für Effekt und Publikumswirkung präsentiert wird. Die in Weiß-Graü gemalten, verspielt wirkenden, in Wdirkldichkeit aber pedant-streng gezeichneten Schnörkel, diese Vasen, Muscheln, Säulchen und Ornamente machen in ihrer Gesamtheit den Eindruck von alten Stichen oder von Scheinarchitekturen auf alten Gobelins. Die wechselnde Beleuchtung symbolisiert treffend den Szenenchiarakter. Überdies beleben kompakte Draperien, Vorhänge und Möbelbezüge die farblos-flächen-hafte Wirkung speziell der beiden ersten Bilder. Nur dm 3. Bfld ist das Rot der Vorhänge und der Möbel ein wenig zu grell geraten und verleiht der Szene Operettencharakter. (Aber vielleicht wird gerade dieses Bild am besten gefallen...) Belebend wirken auch die Kostüme von Edwin Zimmer. In dem Bestreben, die sozialen Unterschiede zu verdeutlichen, ist er vielleicht zu weit gegangen, ohne jedoch auf dekorative Wirkung jemals ganz zu verzichten. Einer Revision bedarf allenfalls das KostÄm der Gräfin, deren mit schwarzer Spitze überzogene blaugrüne Morgentoilette aus dem Rahmen fällt.
Aber das sind Kleinigkeiten, Einzelheiten, die den Gesamte! miru ck der ebenso geschmackvollen wie prunkvollen Ausstattung kaum beeinträchtigen können.
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