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Maler und Psychologe

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Wmöglich, Künstler von Rang so völlig sang- und klanglos untergehen zu lassen? Oder war dieser MOPP - wie er sich selbst nannte - einer von jenen Artisten, die zu Lebzeiten maßlos überschätzt und von der Nachwelt zu Recht vergessen wurden? Es wären da viele offene Punkte. Aber schon jener, wie man sich sein Werk vorzustellen hat, führt zum alles entscheidenden Dilemma: dem völligen Informationsdefizit zu seiner Person und zu seinem Schaffen.

Zwar hat man beispielsweise in den Großausstellungen, die in den letzten Dezennien weltweit zu ,Wien um 1900' stattfanden, auf den vielseitigen Künstler nicht verzichtet. Doch sah man ihn immer wieder mit denselben zwei bis drei Bildern. Wer hätte da Antwort geben können, auf die Frage nach Art und Umfang seines ÖUivres oder auch nur die Umrisse seiner künstlerischen und persönlichen Entwicklung nachzeichnen wollen?” schreibt der Ausstellungskurator G. Tobias Natter in seinem Katalogbeitrag und bringt damit Intention und Herausforderung der Ausstellung auf den Punkt. Sie will die Basis für eine Beurteilung und Positionierung Oppenheimers im Spektrum der europäischen klassischen Moderne schaffen und zugleich den Grund des Vergessens und Verdrängens dieses Künstlers darstellen.

Oppenheimer, der sich selbst nicht als jüdischer Maler empfand, wird nicht aufgrund seines mosaischen Glaubensbekenntnisses im Jüdischen Museum gezeigt. Vielmehr scheute man bis jetzt den enormen Aufwand, dem „in aller Welt” verstreuten Werk und den dürftigen Quellen (Briefe an den Bruder, an den Kunstkritiker Arthur Roessler und an Friederike Beer-Monti im Besitz der Österreichischen Nationalbibliothek, „Nachlaß MOPP” in der Österreichischen Galerie im Bel-vedere) nachzuforschen. Auf Initiative von Karl Albrecht-Weinberger, dem Projektkoordinator des Jüdischen Museums, ging G. Tobias Natter den verschütteten Spuren des Künstlers in Europa, Israel und Amerika nach. Erstmals seit Oppenheimers Emigration sind über 50 Gemälde aus allen Schaffensperioden und herausragende Beispiele seines graphischen Werkes in einer Ausstellung vereint.

Max Oppenheimer wurde 1985 in Wien geboren, nach einem kurzen Zwischenspiel in Prag nahm er 1908 an der Kunstschau in Wien teil. In den folgenden Jahren prägte er mit Oskar Kokoschka und Egon Schiele den „österreichischen Expressionismus”, der sich hauptsächlich in psychologi-sierenden Darstellungen von See-lenzuständen manifestierte.

In diese Zeit fallen die ersten

Bildnisse von Heinrich Mann und das Porträt Schieies, in denen Oppenheimer seine auf das Porträt erhobene Vorstellung von Übertreibung und Hinterfragung zu verwirklichen begann: „Denn nicht auf die Wiedergabe rein äußerlicher Ähnlichkeit kommt es an, auch nicht darauf, was man als getroffen bezeichnet, sondern auf das optisch allein nicht Faßbare, was der Maler-Psychologe auf Schleichwegen seinem Modell ablauscht” schreibt Oppenheimer in seinem Buch „Menschen finden ihren Maler”, das 1938 im Verlag Olbrecht, Zürich, erschien.

Bei seiner Übersiedlung nach Berlin 1912 kam MOPP mit dem französischen Kubismus in Berührung, der sein Werk in der Folge wesentlich beeinflußte. Von 1915 bis 1924 lebte Oppenheimer in der Schweiz. Ein kurzes dadaistisches Intermezzo - er beteiligte sich 1916 an der ersten DADA Ausstellung in Genf — sicherte MOPP einen zwölfseitigen Beitrag in dem jüngst erschienenen Buch „DADAutriche” (Haymon Verlag, 1994), blieb aber ohne unmittelbare Wirkung auf sein weiteres Werk.

Vielmehr beschäftigte er sich mit einem Thema, das ihn bis zu seinem Tod nicht loslassen sollte: die Interpretation von Musik durch Malerei. Selbst Geigenspieler und Besitzer einer Amati, entwickelte der Künstler eine aus ku-bistischen Formsplittern aufgebaute Darstellungsweise, die die Bildfläche mit einer dynamischen, vibrierenden Struktur paralleler Linien überzieht. Mit diesen formalen Mitteln spürte er in zahlreichen Orchester- und Quartettdarstellungen den wogenden Klang- und Bewegungsphänomenen eines musizierenden Orchesters nach. Berühmt ist sein Bild „Die Philharmoniker” von 1935, das sich heute im Besitz der Österreichischen Galerie in Wien befindet.

In den zwanziger Jahren, zurückgekehrt nach Berlin, verband er Elemente des Kubismus und Futurismus zu Berliner Groß-stadtbildern, etwa das „Sechstagerennen” von 1929. 1938 emigrierte Oppenheimer über die Schweiz nach New York. In den folgenden Jahren geriet Oppenheimer immer mehr aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit, weder in Künstlerkreisen noch bei den deutschsprachigen Emigranten spielte er eine Bolle. Bis zu seinem Tod i954 hatte er erfolglos versucht, das „Philharmoniker-Bild” an seinen örtlichen und inhaltlichen Ursprungsort zurückzubringen. Auch hinsichtlich seiner NS-Bückerstattungsansprüche stellte er - ein österreichisches Schicksal — schließlich desillusioniert fest: „Es scheint alles zu schlafen.”

Max-Oppenheimer-Retrospektive.

Jüdisches Museum der Stadt Wien, 1010 Wien, Dorotheergasse 11. Vom 24. Juni bis 18. September 1994; So bis Fr 10 bis 18 Do 10 bis 21 Uhr.

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