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Maxi-und Minitheater

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Mit einem Großaufgebot an eigenen Exposita und Leihgaben bietet die JubUäumsausstellung „50 Jahre Salzburger Festspiele“ in der Residenz eine umfassende Dokumentation. Der wesentliche Vorzug dieser Schau liegt in der breit ausgespielten chronologischen Ordnung der Materialfülle, fünf Jahrzehnte künstlerischen Geschehens werden authentisch aufgerollt. Gleichsam in thematischer Mosaiktechnik erscheint längst Bekanntes an Bild-und Textbestand zu neuen Funden aus den entlegenen Regalen des Festspielarchivs in Beziehung gesetzt. Das Detail erhält aus solcher Sicht seine dramaturgischen Funktionen als Symbol im historischen Wechselspiel allgemeinen und persönlichen Schicksals: etwa eine eigenhändige Skizze Max Reinhardts für die Gestaltung einer Wand in Schloß Leopoldskron — flüchtiger Entwurf nur, aber Sinnbild der alle Lebensbereiche durchdringenden und der Lust des Schauens erschließenden schöpferischen Phantasie. Oder das Telegramm, mit dem sich Toscanini im März 1938 von weiteren Verpflichtungen in Salzburg eindeutig distanzierte. Breitesten Raum nimmt natürlich die Bild- und Text-chronik der Aufführungen seit jenem ersten „Jedermann“ ein, Wand um Wand mit Szenenphotos, Bühnenbildern, Programmen und Plakaten.

Freilich: die archivalische Leistung überwiegt gestalterische Ideen. In puncto Präsentation gab es kaum eine neue Anregung. Dies gilt besonders für die wenigen gezeigten Kostüme. Vergebens sucht man zum Beispiel auch Anton Faistauers temperamentvoll gemaltes Porträt Richard Mayrs als Ochs, das in seiner Art fast ebenso zum Symbol der Festspiele wurde, wie das seither weltberühmte, streng stilisierte Plakat aus dem Beginn der dreißiger Jahre.

Aus dem Festspielbereich in die stilleren Viertel am Fuß des Kapuzinerberges führt der Weg zu der Ausstellung „Max Reinhardt und die Welt der Commedia dell'arte“ in der Reinhardt-Forschungs- und Gedenkstätte (Arenbergschloß). Je älter und reifer der Regisseur wurde, je größere Sicherheit sein Stilempfin-den erlangte, desto stärker faszinierten ihn diese Kunstformen, diese Buntheit und das Brio der Latinität des 17. und 18. Jahrhunderts. Immer wieder suchte er nach neuen Möglichkeiten der szenischen Verwirklichung im entsprechenden Rahmen, am liebsten mit der Geste des Grandseigneurs und privaten Gastgebers wie bei der Aufführung von Molieres „Der eingebildete Kranke“ im Schloß Leopoldskron, mit Max Pallenberg in der Titelrolle (1923).

Einer der Höhepunkte solcher Begegnungen: das allmähliche Wachsen der„Ariadne aufNaxos“ von Strauss und Hofmannsthal aus einer freien Nachdichtung des „Bürgers als Edelmann“. Neben Pallenberg fand Reinhardt vor allem in den Geschwistern Thimig, aber auch in Hons Moser, Richard Romanovsky, ja sogar im düsteren Oskar Homolka ideale Interpreten des heiteren Spiels. Geschmacksvirtuosen und Milieuzauberer, wie Ernst Stern und Oskar Laske schufen dieser Rednhardti-schen Komödienwelt das Kleid und das Haus.

Auch das Landesmusetim Carolino Augusteum stimmte seine Sonderschau auf das Thema Theater ab, und zwar das „Minitheater“ der Puppenspieler vieler Epochen und Kulturkreise. Natürlich stehen die Figuren der Familie Aicher — eines der weltweiten Gütesiegel Salzburgs — gebührend im Minirampenlicht. So ergab sich eine Beziehung zu einer der diesjährigen Festspielinszenierungen, Arthur Schnitzlers „Zum großen Wurstel“, jener hintergründigen Farce um Marionetten und Menschen. Das große „Ensemble“ in den vielen Vitrinen reicht von Bilderbogenfiguren des romantischen Papiertheaters bis zu kleinen Schiach- und Schönperchten und bis zu südasiatischen Fabelwesen, Insektenprinzessinnen, deren Dämonie sich ins filigrane Ornament verflüchtigt.

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