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Osterreichischer Kunstbesuch in der Schweiz

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Wenn der Österreicher heute von der Schweiz spricht, so wird ihm warm ums Herz. In der Gegenwart sieht er an seiner Westgrenze eine Türe offen, durch die Sonne hereinkommt. Es sei hier nicht von den materiellen Hilfeleistungen, Beweisen einer großzügigen Hilfsbereitschaft die Rede, sondern von der seelischen Fühlung zwischen dem Volkstum beider Länder, das wir Österreicher nicht einmal in den Notzeiten nach dem ersten Weltkrieg so stark empfunden haben wie jetzt.

Es ist gut, daß wir Österreicher es nicht mit Worten bewenden lassen, wenn wir dem Schweizer Volk unsere Verbundenheit für diese Gesinnungen zeigen wollen. Vor kurzem haben wir uns sozusagen im Festtags-gewande in der Schweiz vorgestellt, um Gruß und Dank zu sagen. So ist die große Ausstellung „Meisterwerke aus Österreich“, die dieser Tage mit großer Festlichkeit in

Zürich eröffnet wurde, merklich auch in der Schweiz verstanden worden.

Es ist ein richtiger Schatz, der wohlverwahrt in einem von den Alliierten beigestellten Sonderzug, von der Grenze an von Schweizer Militär begleitet, in zwei Ausstellungsstätten, im Züricher Kunsthaus und im Kunstgewerbemuseum der Stadt Platz gefunden hat.

Der Gast, der frohgenießend durch diese Pracht geht, hat kaum eine Vorstellung, unter welchen Hemmungen einer harten Nachkriegszeit diese Sammlung von höchsten Werten alter und neuer Mal- und Bildhauerkunst und des Kunstgewerbes Zustandekommen konnte. Der österreichische Arbeitsausschuß, dem Sektionschef Dr. Zellwecker vorstand, vermochte diese Hindernisse zu überwinden nicht zuletzt dank der Unterstützung, die ihm von schweizerischer Seite von der Gesellschaft zur Förderung der geistigen und gesellschaftlichen Beziehungen zwischen Österreich und der Schweiz unter ihrem Präsidenten Professor Dr. Jean von Salis zuteil wurde. Der Katalog der Kunstausstellung weist, bearbeitet von Frau Dr. Anna Spitzmüller und Dr. Buschberg, bei 497 Nummern auf, Schöpfungen erlesenster alter und neuerer Kunst, Gemälde und Skulpturen,

Glanzstücke öffentlicher und privater Sammlungen. Mit Recht konnte Minister Doktor H u r d e s bei der Eröffnungsfeier vor einem großen festlichen Kreise, dem als Vertreter der Schweizer Bundesregierung Bundesrat Dr. Erter, Stadtpräsident Dr. Lüchinger und der ganze Züricher Stadtrat angehörten, sagen, mifr dieser Ausstellung köstlichen geistigen Besitzes melde das befreite Österreich aufs neue vor der großen Welt seinen Anspruch auf Anerkennung als kulturtragende Nation an; sie sei ein Beleg dafür, daß auch auf dieser Welt nicht brutale Gewalt und Macht, sondern das Gute, Edle und Schöne wahre Größe verleihe. — Der Beifall, der diesen Worten folgte, wurde fast zu einer politischen Demonstration ... Es war eine Art Kommentar zu dieser Kundgebung, als am Abend des Eröffnungstages bei einer gastlichen Zusamenkunft der Vertreter beider Länder in dem repräsentativen Moraltengut Bundesrat Dr. E 11 e r in einer Tischrede sagte, die österreichische Darbietung beweise ihm, daß Österreich mit der Schweiz nicht nur Grenze an Grenze verbinde, sondern auch Herz an Herz; sie zeige aber auch von neuem dieUnsterb-lichkeit Österreichs, weil seine Seele, die sich so wunderbar und tief in den Kunstwerken ausdrücke, unsterblich sei. Auch in seiner Kleinheit sei und bleibe Österreich eine Großmacht im Reiche des Geistes, im Reiche der Kultur, Trägerin stärkster abendländischer Sendung.

Die Beurteilung der Ausstellung in der Schweizer-Kunstwelt und von Seiten 'er Fachreferenten der Schweizer Presse ist eine durchaus einmütige; selbst wenn man manche Anerkennung als Ausdruck warmherziger Freundschaft ansehen wollte, bleibt noch sachliche Wertung genug, um den Erfolg dieser Ausstellung darzutun. S; .Kopräsident Dr. Lüchinger bezeichnete sie als „die ungeahnte Erfüllung eines Wunschtraume s“. Kenner der Umstände betonten in Gesprächen die besondere Leistung, daß Österreich es zustandegebracht habe, zugleich mit dieser künstlerischen Prachtentfaltung auf Schweizer Boden in Wien selbst, mit der Ausstellung zur 950-Jahr-Feier, eine zweite erstrangige Schau österreichischer Kulturschätze zu bieten.

Die beiden Züricher Ausstellungen werden bis 2. März 1947 geöffnet bleiben. Sie stellen nach Auswahl und Aufstellung ein Novum dar. Man denkt daran, sie entsprechend erweitert, auch in Wien der großen Öffentlichkeit zugänglich zu machen; D.

Alles Große, Edle muß einen Grund haben in sich, warum es edel istl Wenn dieser Grund rein, ohne Vorurteil, ohne Pfuscherei von Nebendingen und Absichten, die einzige Basis des Kunstwerkes ist: das ist reiner Stil. Das Kunstwerk muß gerade nur das ausdrücken, was die Seele erhebt und edel ergötzt, und nicht mehr.

Bettina von Arnim

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