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Abschied

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Der dunkle Tag, der mehr als einmal bereits vor unserem Auge stand und dann wieder hinweggenommen wurde, als sollte es ihn nie geben, ist da: Dr. Friedrich Funder hat uns in den Morgenstunden des 19. Mai auf immer verlassen. Dem Allmächtigen hat es gefallen, Seinen getreuen Diener nach einem langen, sonnenheißen Arbeitstag in seinen Weinberg heimzuholen. Würden und Bürden sind zurückgeblieben — ein Christ ist am Ziele angelangt.

Unser aber ist die Stunde des Abschieds.

Abschied! Ein bitteres Wort. Die Unwieder- bringlichkeit eines voll ausgeschöpften Menschenlebens schwingt in ihm mit. Wenn sich in dieser Stunde die Redaktion der „Furche“ an dem Sterbebett ihres Herausgebers versammelt hat, so gehen unwillkürlich die Gedanken zurück. Zurück zu den großen Abschieden, die unser lieber Tote im Laufe seines reichen Lebens nehmen mußte. Abschiede von Menschen, Abschiede auch von Ideen und Hoffnungen. Der junge Redakteur eilt an das Totenbett Luegers, wenige Jahre spater muß er dem Sarge des Thronfolgers Franz Ferdinand, an dešseh Person sich alle seine politische und menschliche Hoffnung geknüpft hatten, folgen. Noch vier Jahre und es heißt Abschied vom alten Oesterreich nehmen. Seipel. .. Dollfuß .. . das Sinken der rotweißroten Fahne am 11. März.1938... Die vielen toten Kameraden im KZ, die früh dahingeschiedenen Mitglieder seiner Redaktionsfamilie.

Warum wir gerade in dieser schmerzlichen Stunde an die großen Abschiede im Leben Doktor Funders erinnern: weil an ihnen die Spanne und Fülle dieses großen Lebens erst deutlich wird. Das ist das eine. Das andere aber ist dies: Weil wir, die er als seine Redaktionsfamilie um sich geschart, deren Arbeit er Ziel und Richtung gegeben hat, aus den Abschieden, die unser Herausgeber, mehr: unser väterlicher Freund, nehmen mußte, Kraft für diese Stunde schöpfen. Es gibt für den Dienst an der christlichen Publizistik, für den Kampf um Oesterreich keinen Abschied. Es gibt nur einen Auftrag, der heute und morgen genau so erfüllt werden will, wie er gestern erfüllt wurde.

Ars vivendi.ars moriendi. Kunst des Lebens... Kunst des Sterbens: beide Kardinaltugenden besten Oesterreichertums hat Doktor Funder uns vorgebildet. Lange Jahre als streitbarer Publizist, als Lehrer und Meister. Oft dachte man es: Dieser Mann wird einmal, wie er selbst es sich gewünscht hatte, mitten in seiner Arbeit gefällt werden. Der Allmächtige hat es anders bestimmt. Er forderte als Tribut für ein langes und großes Leben einen langsamen Ablösungsprozeß von der über alles geliebten Arbeit, von den Kämpfen und Sorgen dieser Welt. Führte Dr. Funder durch sechs Jahre selbst den Pflug, so mußte er sich seit 1952 auf seinen Rat beschränken, zuletzt blieb nur noch sein Segen, zu einem Werk, das Geist von seinem Geiste war und ist.

Dieser aber ist unvergänglich.

Während diese Zeilen geschrieben werden, treffen Telegramme der Anteilnahme aus aller Welt ein, die Telephone klingeln, die Rotationsmaschinen dröhnen ihr gleichmäßiges Lied. Redaktion und Druckerei kennen auch in dieser Stunde nicht die Stille des Trauerhauses.

Das ist der Abschied eines großen Publizisten von dieser Welt. Dr. Funder wollte keinen anderen.

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