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Aug in Auge mit dem Horror
PFARRERBLOCK 25487. Ein Bericht von Jean Bernard. Herausgegeben von Charles Reinert und Gebhart Stillfried. Verlag Anton Pustet, München, 1962. 172 Seiten. Preis: Leinen 7.80 DM, broschiert 5.80 DM.
PFARRERBLOCK 25487. Ein Bericht von Jean Bernard. Herausgegeben von Charles Reinert und Gebhart Stillfried. Verlag Anton Pustet, München, 1962. 172 Seiten. Preis: Leinen 7.80 DM, broschiert 5.80 DM.
Wir glaubten ihn ganz zu kennen, al der Verfasser dieses Berichts vor nahezi drei Jahren in hoher Filmmission wiede einmal Wien besuchte: den schlankei Luxemburger Monsignore mit dem schma len, feinen Kopf und dem wohlgeformten eindrucksvollen Vortrag — den Kollege) und Redakteur des „Luxemburger Wort' und langjährigen Filmfreund, Präsidentei des Internationalen Katholischen Filmbüroi (OCIC), Konsultor der päpstlichen Film-Funk- und Fernsehkommission und Mit glied des einschlägigen Konzilsekretariats
den geistlichen Beirat des katholischen Laienapostolats seiner Heimat, Kanonikus und päpstlichen Ehrenkämmerer Doktor phil. Jean Bemard, Träger hoher luxemburgischer, belgischer und italienischer Orden.
Nun lernen wir seine menschliche Passion kennen. Alle diese Würden kleideten ihn damals nicht, ab er zusammen mit 1500 „nichtdeutschen“ Priestern als Nummer 25487 im gefürchteten Massengrab des Pfarrerblocks von Dachau lebte.
Lebte? Dr. Bernard wurde am 6. Jänner 1941 verhaftet, nach etlichen Verhörer nach Dachau abgeschoben und an 6. August 1942, dem Jahrestag seiner Pri miz, „probeweise“ entlassen. (Er weil noch heute nicht genau, warum das ein< und warum das andere geschah.) Körper , lieh und nervlich zerrüttet, schrieb er un: mittelbar darauf in schützender Abgeschie denheit diese Art Tagebuch, um nicht zi vergessen, denn vergessen wollen, „hießi sich das Verzeihen erleichtern“.
Berichten wie diesen fällt heute irgend' wie das ähnliche, nicht gleiche Erleben vor Millionen überlebenden Kriegsgefangener in die Arme; sie haben in etwa gleicht Hungerträume und Würdelosigkeiten Krankheiten (Avitaminosen, Phlegmonen] und Verzweiflungen erlebt; aber sie warer im schlimmsten Fall noch begehrtes Arbeitstier, die Dachauer und ihre Millionen Schicksalsgefährten aber waren Abgeschriebene, Verurteilte, Morituri. Sie hatten ihre kleinen und größeren Cäsaren zu grüßen, mit erhobener Hand . ..
Nur drei Luxemburger Priester mit Doktor Bernhard haben die Hölle überlebt; den Toten, besonders den ihm befreundeten Pfarrer Theophile Becker, Pfarrer Jean Brachmond, Redakteur J.-S. Esch, Direktor Msgr. Jean Origer. Pater Joseph Stoffels SCJ. und Pater Nie. Wampach SCJ., sowie der eigenen Mutter widmet der Autor dieses Buch; der Mutter, der in der Zeit seiner Haft das Herz brach, was dem Sohn übrigens einen in der Geschichte der Konzentrationslager nicht häufigen Urlaub auf Ehrenwort eintrug.
Es ist vielleicht das Ergreifendste an diesem Buch, wie seine Empfindungs- und Ausdruckswelt noch ganz unter dem Eindruck des zutiefst mißhandelten Priesterlichen und Menschlichen steht, wie es das Animalische der gequälten Kreatur, das Gieren nach den letzten Nahrungsabfällen, den — ein fürchterliches Wort — Kameradschaftsdiebstahl, List und Täuschung und das letzte Versinken der gemarterten Körper in Wasser, Blut und Schwären ungeschminkt wiedergibt. Menschen auf diese Unterstgrenze des Vegetierens hinuntergedrückt zu haben, ist vielleicht die größte Sünde des Regimes unter allen großen gewesen.
Und doch triumphieren Treue, Freundschaft, Sühne über allem Jammer, dennoch siegt „Christus in Dachau“. So ist dem verstorbenen Wiener Bürgermeister und gutem Herold-Haus-Geist Richard Schmitz rrratvehe unvergessene lebensrettende kame-1 fad&h^Pfli^rre5 'Aktion äcnge%hmi's-wTfil
-reichen Bürger I und- Arbeiter der “Un-glücksstadt dem Entlassenen die erste hilfreiche Hand: Nummer 25487 ging wieder ins Leben und in den Weinberg,
körperlich gezeichnet zwar bis zum Tode, aber geistig unversehrt, verstehend und verzeihend: „Denn verzeihen müssen wir. Und zwar bewußt verzeihen, Aug in Auge mit dem ganzen Horror des Geschehenen.“
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