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Camping für Anfänger

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Camping ist der Versuch einer oder mehrerer Personen, eine Zimmer-Kabinett-Wohnung mit allem Komfort im Freien zu errichten. Der Versuch gelingt, wenn man sich an nachstehende Regeln hält:

Zunächst braucht der Anfänger dieses schönen und gesunden Sports ein großes Auto, um alle Gerätschaften und den Komfort darin unterbringen zu können. Der Benzintank des Gefährts muß ein großes Fassungsvermögen besitzen, da Benzin für vielerlei Zwecke im Grünen benötigt wird. Das Zelt muß den Erfordernissen einer bequemen Lebensweise entsprechen, also sehr hoch, sehr lang, sehr breit sein. Solange der Campingfreund in demselben nicht aufrecht stehen und wenigstens fünf Tanzschritte in jeder Richtung gehen kann, kommt es als Urlaubsbehausung nicht in Frage. Es empfiehlt sich, das Zelt in mittel- oder tiefgrüner Farbe zu kaufen; man erweckt damit einen zünftigen, naturhaften Eindruck.

Und nun gleich zu einem der wichtigsten Funktionen des Zeltes: der Campingparty. Man braucht dazu sechs Personen, den beliebten Campingdrink (überall erhältlich), ein Tonbandgerät, ein Kofferradio, ein Blitzgrillgerät, sechs Campingstühle und einen Vorsitzenden. Diese Zeltparty nimmt einen um so netteren Verlauf, je mehr Campingspiele die Teilnehmer beherrschen. Über Campingspiele gibt es ein reizend illustriertes Bändchen, das wir den Neulingen dieses frohen Sports dringend empfehlen.

Die Zeltparty braucht um keine bestimmte Zeit zu beginnen und aufzuhören. Es ist den Campingfreunden jedoch zu einer lieben Gewohnheit geworden, vor Abbruch der Geselligkeit noch schnell ein Schälchen Bohnenkaffee mit einem Spritzer Büchsenmilch zu sich zu nehmen. Dabei gibt es kein Sitzen, Anlehnen oder Anhalten. Man steht in der Zeltmitte und im Kreis der Freunde, plaudernd, lachend, zwanglos. Das ist ja das Reizvolle am Camping: das gewollt Natürliche, das Unkonventionelle, das Unkollektivierte.

Ein wichtiges Kapitel ist beim Camping das der Ernährung. Beginnen wir mit den Früchten des Waldes, die sich zu manch köstlicher Mahlzeit verarbeiten lassen. Aus ganz gewöhnlichen Walderdbeeren bereiten wir eine herrliche Cremetorte. Wir nehmen je Handvoll Erdbeeren ein Löffelchen gut gelagerten Zuckers, vermischen es mit einem Döschen Schlagobers und 'Iföckfli'WHzarWiri unseren ATTzwiSck-campingmixer. Wir wählen die Einstellung „Tortencremes und andere“ und haben in wenigen Minuten eine gleichermaßen erfrischende wie gaumenfrohe Speise.

Der Liebhaber gesalzener Gerichte kann aus Pilzen eine schmackhafte Suppe und den sehr beliebten „Schwammerlbraten“ herstellen. Wir haben natürlich vorgesorgt: in unseren vier Proviantkisten im Kofferraum befindet sich auch eine Dose getrüffelter Hühnerleber und ein Nylonsäckchen mit Brat-Fix-Soße. Nachdem wir die Pilze in unserem Plastikkübel mit abgekochtem Seewasser gut gewaschen haben, schneiden wir sie in fingerdicke Stücke und legen sie liebevoll in die vorbereitete Pfanne mit der getrüf-felten Hühnerleber und der Brat-Fix-Soße. Diese Pfanne schieben wir geschickt in das Mittelfach unseres Campingelektroherdes, wählen die vorgeschriebene Einstellung und nehmen in der Zwischenzeit einen guten Aperitif zu uns.

Wer diesen erquicklichen Kombimahlzeiten in der Campingküche nichts abgewinnen kann, der bleibe bei der Büchsenmahlzeit. Ihm entgeht allerdings der größte Reiz des Campings: die durch Zuführung von Wald- und Wiesenprodukten hergestellte Verbundenheit zwischen Mensch und Natur.

Um Langeweile und Unlust beim Camping zu vermeiden, versehe man sein Reisetonbandarchiv mit zehn bis fünfzehn Meter spritziger Großstadtmusik. Es sei in diesem Zusammenhang ein ehrliches Wort gestattet: eine Gegend, die nichts weiter ist als Gegend, bekommt durch diese euphorische Geräuschkulisse das gewisse Etwas, das wir natürlich nicht entbehren wollen.

Der Campingsportler muß ferner ausreichend mit Karten- und Würfelspielen, Rätselheften und Magazinen versorgt sein, will er sich auf seiner Schaumgummimatratze nicht hoffnungslos fadi-sieren. Vorbeugend haben wir jedenfalls schon zu Hause einen Terminkalender aufgestellt, der uns auf unserem Campingplatz darüber unterrichtet, was wir außer rätseln, lesen, dösen, spielen und schlafen noch beginnen können. In diesem Terminkalender muß sich unbedingt auch der Hinweis finden, daß wir bei Regenwetter das nächste Dorfgasthaus aufsuchen sollen.

Der Anfänger sieht also: es gehört schon recht viel an Besitz und Unternehmungsgeist dazu, um einen gelungenen Campingurlaub über die Strecke zu bringen. Eine Wiese, ein See und ein Berg tun es noch lange nicht!

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