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Comedie-Francaise in Wien

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Am 24. und 25. März wird zum zweitenmal ein Ensemble der Comedie-Francaise, der ersten Sprechbühne Frankreichs, vor dem Wiener Publikum erscheinen. Alte und älteste Theaterfreunde werden sich der großen Erfolge des Ensembles entsinnen, das vom 24. bis 31. Mai 1892 an sieben Abenden zwölf Stücke zur Aufführung brachte. Die Vorstellungen fanden in dem entzückenden Ausstellungstheater statt, das auf dem Rotundengelände erbaut worden und, mit Franz von Jauner an seiner Seite, von meinem Vater, Othon Baron de Bourgoing, geleitet war. Im Einvernehmen mit ihm wurde in Paris, da er als erfahrener Amateurregisseur bekannt war, überdies den Geschmack des Wiener Publikums besser als irgendein Franzose kannte, die Wahl der Stücke für Wien getroffen.

Das Zustandekommen dieses Gastspiels war nach dem ersten vielversprechenden Anlauf durch grundlose Bedenken der französischen Regierung und die geringe Bereitwilligkeit der Socicraires in einer „deutschen Stadt“ aufzutreten, ernstlich in Frage gestellt gewesen. Edmont Got, der Doyen des Theaters, zeigt sich in seinem Tagebuch einigermaßen skeptisch: „Unsere Administration, der Parole des Ministers gehorchend, gestattete bloß offiziös die Reise eines Teils der Comcdie in eine der Hauptstädte der Tripel-Allianz, um im Grunde genommen sie zu erlauben.“ Trotz den schönen Erinnerungen an seinen ersten Wiener Aufenthalt sagte dem Doyen das Gastspiel so wenig zu, daß er -seine Mission in die Hände des -österreichischen Botschafters zurücklegte. Im Wiener Theaterkomitee herrschte auf diese Nachricht hin die größte Bestürzung; was wird man dem Publikum der Haute-saison bieten? In Paris interveniert Botschafter Graf Hoyos, aus Wien depeschiert sein französischer Kollege; Franz von Jauner wird nach Paris geschickt um seine Kollegen zu überreden; schließlich löste sich alles in Wohlgefallen: dem Herzog von Aumale war es gelungen die maßgebenden Faktoren zur Besinnung zu bringen. Bis auf weiteres. In letzter Minute mußte Othon de Bourgoing, Hals über Kopf nach Paris, um neue Bedenken aller Art zu zerstreuen.

Got hatte schon einmal, März 1875, vor dem Hof und der Haute-volee, Proben seines Talents anläßlich einer von Baron de Bourgoing und Franz Jauner veranstalteten Wch!-ätigke;t-svörste11ung abgelegt. Nach einer Reihe von Tableaux-vivants trat er mit seinem Sohn Mederic, Wiener

Aristokraten, französischen und russisdten Diplomaten in Molieres „Misanthrope“ und dann mit Fürstin Pauline von Metternich als ebenbürtiger Partnerin in Desaugiers' „Le diner de Madeion“ auf. Gots Aufenthalt war damals ein Triumph gewesen.

Am 22. Mai 1892 trat Got nach all den Aufregungen in bester Laune mit den Damen Bartet, Du Minil, Fayolle, Kalb, Pierson und Reichenberg, den Herren Bou-cher, Falconnier, Febvre, Jolivet, Lambert, Leloir, Prudhon und Tuffier, um nur die hervorragendsten Namen zu nennen, die Reise nach Wien an. Empfang am Westbahnhof durch Othon de Bourgoing an der Spitze des Theaterkomitees, umgeben von zahlreichen Enthusiasten, die sich trotz Perronsperre, echt wienerisch, Eingang zu verschaffen gewußt hatten.

Am 24. Mai fand die erste Vorstellung statt: „Les femmes savantes“ (Moliere). Der stets auch gegen sich strenge Got war mit den Leistungen der Kollegen nidit sonderlich zufrieden. „So so, la la. Große Einnahme (mehr als clfuusend Franken), ein vornehmes Publikum und ein sehr... höf-lidier Erfolg.“ Den nächsten Tag gehen „Le bonhomme Ja'dib“ (Henri Murger) und „II ne faut jur-r de fien“ (Musset) über die Bretter. 26. Mai „Le Dcpit amoureux“ (Moliere) und „Mlle de La Segliere“ (San-deau) mit Jeanne Bartet, la divine, in der Titelrolle, der erste große Erfolg, und tags-darauf „Mlle de Belic-Isle“ (Dumas* Vater). Die Kollegen haben es mit Got wirklich nicht leicht, doch das Publikum ratifiziert keineswegs sein überstrenges Urteil über die männlichen Darsteller. 28. Mai: Erfolg auf Erfolg bei offener Bühne, rauschender Applaus nach vorhergehendem Jubel für das Ensemble in der Pratcr Hiuptallee, „Adricnne Lecouvreur (Scribe) schwach gespielt“, räsonniert der Doyen abermals, „doch das Publikum ist bereits gewonnen, unterstützt uns dermaßen, daß das Stück einen sehr guten Eindruck macht“. Wieder war es Jeanne Bartet gewesen, die das Auditorium mitgerissen hatte. „Bei Tag wurden wir im Gänsemarsch in mit triko-loren Bändern geschmückten Fiakern spazierengeführt. Wir haben einen wahren Mitfastenerfolg gehabt, mit Vivc la France!' und ,Bravo!' von allen Seiten Welch herzlich lachende und gutmütige Menge, zu Fuß, zu Wagen. Und was für Equipagen!“

Am Derbysonntag wanderte Tout-Vienne, wie damals die tonangebende Gesellschaft hieß, zur Sport- und Toilette-

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