Das edle Handwerk und seine Liebhaber

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Rückblickend scheint es wenig überraschend, dass Karin Bergmayer Hutmacherin geworden ist: "Es gibt Fotos, wo ich schon als Kind immer ein kleines Huterl aufhatte“. Ein solches findet sich auch auf ihrem facebook-Auftritt, dort steht die Absolventin der Hutklasse der Modeschule Hetzendorf auf einem Hocker vor einem Osterstrauch - auf dem Kopf eine Art Matrosenhut mit Bommel. Als "Hutobjekte“ bezeichnet sie ihre Produkte, denn Bergmayer macht keine konventionellen Hüte, sondern Kunst.

"Das ist meine Art von Ausdruck“, sagt sie. In ihrem Atelier gibt es Hüte, Kappen und Kopftücher - jedes Objekt ein Einzelstück. Heute stelle sie nur noch "kleinere“ Hüte aus, denn für die größeren hat sie einfach nicht genug Platz. "Einen ganzen Schrebergarten am Kopf“: So beschreibt Bergmayer augenzwinkernd diese großen Hutobjekte.

Reichtum als seltener Gast

Wie viele Kleinunternehmer geht Bergmayer ihrem Handwerk nicht wegen des großen Geldes nach. "Man macht’s nicht in erster Linie, um reich zu werden“, sagt sie. Um sich die Hutkunst leisten zu können, hat Bergmayer deshalb immer Nebenjobs in der Garderobe gemacht - in den Bundestheatern, der Oper, bei den Salzburger Festspielen und im ORF.

Im Laufe der Jahre hat sie auch aus ihrem Atelier geradezu ein Kunstwerk gemacht. Dekorativ sind schon die Wände, auf Regalen und Ständern stellt sie ihre Hutobjekte aus, sie sind Dekoration und Ausstellungsstücke zugleich. Dazu kommen Schmuck und andere Kunstobjekte, nicht zu vergessen die neuen Produkte ihrer Kollektion: "Gschirrln“ für Möpse, die sie unter dem Label "Mopsfidel“ vertreibt. Inzwischen hängt sie sehr an dem Lokal. "Das ist eigentlich sehr privat hier. Man sitzt da und plaudert oder probiert in Ruhe. Das gefällt vielen Leuten“, sagt sie. In der Tat kann man sich kaum sattsehen und bekommt Lust, die verschiedenen Hüte und Kappen durchzuprobieren, um das eine Hutobjekt zu finden, das wie angegossen auf den eigenen Kopf passt.

Ihr Atelier ist in einer Seitengasse der Schönbrunner Straße gleich um die Ecke der U-Bahnstation Meidlinger Hauptstraße. Schon ihre Großmutter hatte dort gewohnt und in diesem Haus lernte Bergmayer auch eine Freundin kennen, die ganz in der Nähe ein anderes Handwerk betreibt: Barbara Pitton führt in dritter Generation das Geschäft "Lobinger Lederwaren“.

Das Geschäftslokal ist in der Schönbrunner Straße gleich um die Ecke des Café Raimann. "Die Fachwerkstätte des Ledergalanteriewaren-, Taschner & Sattler-Gewerbes“ heißt die ausführliche Bezeichnung der Firma. Angefangen hatte Pittons Großvater noch in dem Haus, in dem die beiden Frauen Freundschaft geschlossen haben. Das war im Jahr 1948 und damals gab es in Wien noch 800 Betriebe, wie Pittons Vater erzählt. Heute stehen nur noch 18 auf der Liste der Wiener Innung. Josef Lobinger hat das Geschäft vor kurzem seiner Tochter übergeben, aber so ganz lassen kann er nicht von seinem Handwerk. Auch heute noch ist er gerne in der Werkstatt und unterstützt Pitton tatkräftig.

In dem kleinen Lokal kann man viele Schätze entdecken, die auch von der Geschichte des Traditionsbetriebs erzählen. Es besteht aus zwei kleinen Räumen, im vorderen wird verkauft, hinten ist die Werkstatt.

Meisterstücke und "Masterstückl“

In der Werkstatt reihen sich Kartons mit Lederwaren auf einem Wandregal aneinander, an einer anderen Wand hängen Werkzeuge und Utensilien für die Arbeit, im Raum stehen mehrere schmucke Maschinen. Im Geschäftslokal wiederum stehen in den Regalen die Lederwaren, die repariert oder restauriert werden sollen. Aus dem Schaufenster holt Lobinger eine Ledertasche aus dem Schaufenster und sagt stolz: "Des is des Masterstickl von meiner Tochter.“ Und er holt auch gleich noch sein eigenes Meisterstück sowie jenes von seinem Vater hervor. "Das ist unsere Raritätenauslage“, kommentiert die Tochter schmunzelnd.

Während Pittons Vater schon in der Werkstatt seines Vaters seine Liebe für das Gewerbe entdeckte, kam diese bei seiner Tochter erst im Laufe der Zeit. "Richtig lieben gelernt habe ich es erst, als ich dort begonnen habe Reparaturen zu machen.“ Alte Stücke zu restaurieren ist auch heute noch ihre Leidenschaft, und sie erfüllt auch gerne besondere Kundenwünsche: "Das hier ist eine Ipad-Tasche“, sagt sie und holt ein hübsches Lederstück hervor, das mit seinen langen Henkeln an eine Damenhandtasche erinnert. Im Moment arbeitet sie an einem Trolley, in den sie Gurte einfügt, mit dem die Wäsche zusammengehalten werden soll.

Die finanzielle Grundlage des Betriebs bilden Reparaturen von Markenware. Für mehrere namhafte Firmen ist Lobinger Lederwaren eine "autorisierte Werkstätte“. Restaurationen machen Pitton nicht nur am meisten Spaß, sie werden auch immer mehr nachgefragt, wie die Taschner-Meisterin erzählt: "Die Leute legen wieder mehr wert darauf, eine Tasche wieder herrichten zu lassen, wenn diese mehr wert ist.“ Es ist wohl einer der Gründe, weshalb Tochter wie Vater der Zukunft des eigenen Betriebs zuversichtlich entgegen sehen.

Ein besonders Radgeschäft

An einer ganz anderen Ecke von Meidling, gleich um die Ecke der Schnellbahnstation Hetzendorf, weist ein an der Fassade angebrachtes, altes Hochrad dezent darauf hin, was sich in dem Haus dahinter verbirgt. In dem Haus befinden sich das Geschäft und die Werkstatt von Manfred Dittler und seiner Lebensgefährtin Eleonore Ondrak.

Es ist ein besonderes Radgeschäft, denn die Leidenschaft der beiden ist das Restaurieren alter Fahrräder, darunter Waffenräder. Angefangen habe alles mit einer "schönen Leich“. So erzählen die beiden gerne die Geschichte, wie Dittler vom Maschinenbauer in der Meidlinger Firma Wojnar ausgerechnet bei Fahrrädern landete. Im Geburtshaus von Dittler haben sie im Jahr 2007 ihre Radwerkstatt eröffnet.

Der Anfang war natürlich schwer, denn sie mussten sich erst einmal einen Stock an Rädern wie an Ersatzteilen zulegen. "Im Winter hat es manchmal schon Engpässe gegeben“, erzählt Dittler rückblickend. Inzwischen scheint ihr Geschäft gut zu funktionieren und die beiden wirken ausgesprochen zufrieden. Außerdem haben sie so manche amüsante Anekdote zu erzählen.

"Einmal ist ein Mann hereingekommen mit einem Motor und hat gesagt: ‚Bau mir ein Fahrrad darum‘.“ Eine ganze Weile tüftelte er herum, versuchte eine Lösung zu finde - bis ihm eines Tages ein ganz einfacher Weg einfiel und er das Motor-Fahrrad baute. Das Motor-Fahrrad war denn auch das teuerste Stück, dass sie bisher verkauft haben, wenn sie dem Kunden nicht einen Freundschaftspreis gegeben hätten. Ein altes Rad restaurieren zu lassen, kostet bei den beiden mindestens 1000 Euro. "Da steckt immens viel Arbeit drinnen“, sagt Dittler. "Und die Kostenwahrheit wird wahrscheinlich noch um einen Tausender höher sein.“ Mit seiner Arbeit mit Fahrrädern ist für Dittler ein Traum in Erfüllung gegangen. Vor der Eröffnung der Radwerkstatt hatte er sich an mehren anderen Projekten versucht. In dieser Zeit fand er mit Ondrak auch "die richtige Partnerin“ Insgesamt sei er immer seinem "Grundgedanken“ gefolgt: "Zu arbeiten, aber nicht des Geldes wegen, sondern wegen der Freude.“

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