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Das Gedicht

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EIN WEISSES HAUS AUE SARDINIEN

Am Rand der brachen Straße stand ein Haus. Das Haus war weiß. Die grünen Fensterläden, sooft du sie beim Rondengang passiertest, blieben geschlossen. Zwischen Fugen lebte Geflecht von Efeu. Putz zerblätterte. Zuweilen fragtest du dich, ob wohl das Haus bewohnt sei. Das Meer war nah, der Oelbaumhain ... Die Treppe sah übers Meer. In wunderbarer Stille stieg Himmel über Himmel. Ja, es war da ein wolkenloses Blau: ein Blau der Frühe ... der Frühe nicht des Tages ... nein, der Frühe des Aeons.

Manchmal auch war es dir, als könne plötzlich sich eins von jenen in dem Quelle baden, die niemand mehr erwarte, noch begreife. Und das mitten im Krieg. Der Strand der Insel befestigt und vermint. In jenen Tagen war jeder Tag Geschenk. Und dort das Haus ...

Warum bedenkst du's heut? Du hast es nie betreten ...nie bestiegen seine Treppe . . . nie gewußt, wen es beherbergt. .. Nun auf einmal aus unterpflügten Landschaften und Jahren auf steigt das Haus.

Es sickert aus der Dämmrung . .. glänzt... Mit Schauern beziehungsloser, deutungsloser Schwermut füllt dich des Hauses Mauer, Treppe, Tor.

DIE FRAUEN VON PIAVARA

Wie war es doch, als in der Stadt Piavara die Frauen weinten . ..?

Du warst über Hügel und Berge des Landes singend gezogen, ein Beglänzter und Geblendeter:

Die Sonne ging auf.

Die Nebelseen der schlafenden Täler zerlösten sich schimmernd, von weither winkten die Mauern erwachender Dörfer, die Häuser und Stallungen ... weiß ... weiß ... Glück lag im Tag.

Und du achtetest nicht der verlassenen Felder, der Wege ohne Menschenzug ... Und du hobst deine Augen:

Da lag auf dem Berge die liebliche der Städte, die alte und junge, die Stadt, von der du wußtest. —

Doch als du hineinkamst in die Stadt der schönen Bögen, aber als du hinaufsahst an den Wänden der Häuser, aber als du die Hand hobst zum Gruß und zur Freude... weinten die Frauen der Stadt Piavara:

Eine Wolke kam eilend, die Sonne zu bedecken, unter Schatten durchschrittest du die Stadt der Verheißung, unter Schatten und Tränen.

FÜLLUNG DER KRÜGE

Komm, Adept: es warten deiner Meister!

Warten deiner mit gefüllten Krügen.

Tote Meister. Aber du bist Leben.

Trägst den Mischkrug, ihren Wein zu sammeln.

Lang ist das Spalier. Gesenkten Hauptes warten sie auf dich. Du gehst vorUber.

Diesen, jenen weckst du: Einen Becker! —

Willig gibt man dir. Und weiter gehst du, mischst mit eignem Wein in deinem Kruge vieler Krüge Probe. Gehst gerufen.

Wer doch rief dich? Nirgends ist Verweilen.

Immer noch kein Ende. Unabsehbar!

Und du zögerst, fragst dich: Wem zur Stärkung du die Weine sammelst. Ueberflüssig scheint dir, was du tust. Und dennoch gehst du, gehst durch das Spalier entschlafner Meister weckend, fordernd, dankend, mischend, scheidend.

Endlich ist dein Krug gefüllt zum Rande. ..

Bist du selbst dann Meister: tritt zur Seite, stell dich ins Spalier, den Krug im Mantel!

Harre nun der andern, die da kommen, der Adepten nachgeborner Zeiten!...

Viele gehn vorüber. Hin und wieder fordert einer Wein. Aus Schlaf und Steinsein spendest du. Und niemand weiß wie lange.

Anfangs spürst du Glück. Der Stein wird härter, fremder, die vorübergehn — verhüllter.

Sinnlos scheint das Spiel. — Doch wer kann sagen, welchem Fest wir Wein entgegentragen!

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