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Der Photograph und der Krieg

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Wahrend im Norden Israels noch die letzten Schüsse fielen, startete ich in Schwechat mit 32 Minuten Verspätung Richtung Tel Aviv. In der ersten AUA-Caravelle, die seit Ausbruch des Kampfes wieder nach Israel flog.

Als wir unter uns die Lichter von Tel Aviv sehen, beginnen die Studenten hinter uns zu singen. „Viva Israel!“ — Um 23.50 Uhr rollen wir über die Betonpiste von Lod, dem Flughafen bei Tel Aviv. Unsere AUA ist die einzige Verkehrsmaschine. Sonst stehen hier nur einige große Militärflugzeuge. Der Wartesaal ist fast leer.

Während ich noch überlege, wo ich ein Hotel finden werde, redet mich eine Dame im Autobus an. Sie fragt, ob ich bereits ein Quartier habe. Sie habe Platz in Ihrer Villa. Ich nehme dankbar an und erhalte so Einblick in das Privatleben in Israel. Frau Chaja A., eine Jüdin aus Preßburg, hatte vor 14 Tagen Ihre zwei Kinder nach Wien gebracht. Ihr Gatte, ein Rechtsanwalt, befand sich seit drei Wochen als Offizier beim Militär. Sie wußte von ihm nur, daß er sich auf Sinai befand.

Meine neue Gastgeberin erzählt vom Blitzkampf. In Tel Aviv waren nur einige Bomben auf den Friedhof und eine Schule gefallen. Man wollte ein wichtiges militärisches Objekt treffen.

Die arabischen Bürger durften seit Kriegsbeginn nicht mehr auf den Feldern arbeiten. Man hatte Angst vor Sabotage.

Gespannt sperrte Frau Chaja das Haustor auf. Ihr erster Blick galt dem Tisch, wo sie die Post vermutete. Frau Chaja wartete auf Post von Ihrem Gatten. Der letzte Brief war vom 5. Juni, vom Kriegsbeginn. Wurde ein Soldat verwundet oder fiel, so erhielten die Angehörigen binnen 24 Stunden die Verständigung ...

In einem Milchgeschäft von Tel Aviv erzählte mir die Verkäuferin, daß ihr Gatte eingerückt sei und daß sie nun das Geschäft des Mannes weiterführe. — Zu Beginn des Krieges habe man die Geschäfte „gestürmt“. Aber es seien genug Lebensmittel vorhanden gewesen.

Uber Radioaufruf wurden alle Einwohner aufgefordert, sich mit Lebensmitteln „einzudecken“. Die Geschäfte würden deshalb eine ganze Nacht offenbleiben. Lebensmittelkarten oder Benzinmarken mußte man nicht einführen.

„Sie waren gestern schon hier!“ rief mir ein Soldat am Eingang zum Tempelplatz zu. Er hatte mich tatsächlich erkannt. Am Vortag war ich mit dem Bus vom „Military-Press-Center“ hier gewesen. Er bot mir eine Flasche eisgekühlten Fruchtsaft an.

Vielfältig sind die Eindrücke des Israels von heute. Es gibt Krieg.s-zonen, wo man deutlich die Spuren des harten Kampfes sieht. In jenen Gebieten, wo nicht gekämpft wurde, sieht alles friedlich aus. Deutlich ist der Unterschied zwischen den besetzten Gebieten und den bisherigen israelischen Landesteilen. So sah ich, daß schon wenige Tage nach der Besetzung im jordanischen Teil mit dem Straßenbau begonnen wurde.

Rund um die Klagemauer wird das ehemalige Araberviertel abgerissen, um genügend Platz für die Weihestätte zu bekommen.

Es gibt keine richtige Siegesstimmung. Bange fragt man, ob auch die Politik so siegreich sein wird. — Trotz allem: Man lacht auch ein wenig und politische Witze werden geboren. Etwa: 'Die USA wollen den Israelis 400 Flugzeuge geben, wenn sie bereit wären, General Dayan für einige Zeit herzuleihen. Kursrichtung: Vietnam!

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