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Der Weihnachtstest
Da staunt der an mancherlei Werbe-Events gewohnte Straßen-und Auslagenpassant. In einem Schaufenster der Wiener Innenstadt trompeten lange vor der stillsten Zeit des Jahres silberne Engel den rauschebärtigen Weihnachtsmännern ins kunsttannengrüne Ohr. Freuet euch, Weihnacht kommt bald!
Um also Vermutungen und Unklarheiten zu beseitigen, sei hier die Erklärung dieser festlichen Frühgeburten erkundet und mitgeliefert. Man wisse, sagten die von verärgerten Fragern bestürmten Verantwortlichen, daß Weihnachten allemal noch am 24. Dezember ist und der Advent am 50. November begonnen hat.
Über die schmerzliche Umsatzlücke zwischen dem Muttertag im Mai und dem weihnachtlichen Dezember werde ohnehin nur moderat geklagt, denn die wirtschaftliche Situation des Handels sei allgemein bemitleidenswert. Was hier etwas unzeitgemäß ausgestellt und ausgespannt ist, das sei vielmehr ein längst notwendiger Test. Angesichts des Aufwands für die alljährliche Weihnachtsdekoration müsse überprüft werden, welche Wünsche das Publikum wirklich habe, beziehungsweise in welche Motive der Handel zu investieren bereit sei.
Eigentlich sehr löblich dieser Test! Denn bisher hat uns, die wir ja alle in Weihnachten einiges investieren, noch nie jemand gefragt, ob wir zum Beispiel jüngere oder ältere Weihnachtsmänner, weiße oder rosarote Engel, glatte oder gedrehte Kerzen wünschen. In der Eile der Weih-nachtsvorbereitungen hatten wir auch gar keine Zeit, eingehende Vergleiche der variantenreichen Dekore anzustellen. Für das Weihnachtsmarketing ist es jedoch sehr entscheidend, ob etwa ein AVeihnachtsmann, der freundlich schmunzelt, mehr zum Kauf animiert als einer, der in strenger Andacht die Beteiligung der Lieben gebietet. Die Engel sind überhaupt ein Problem. Einerseits sind sie vom aufgeklärten Publikum als religiöses Phantom belächelt, andererseits von der Esoterik-Welle neuerdings verlangt und begrüßt. Auch gläubige Christen haben da bekanntlich eine ambivalente Einstellung. Während sich manche über die Darstellung der Gottesboten freuen, lehnen viele die geschäftliche Instrumentierung und Verkitschung ab. Wie soll der kluge Kaufmann sich unter solchen Zwiespältigkeiten erfolgreich entscheiden? Da hilft ja wirklich nur ein Test.
Tannen- beziehungsweise Fichtenreisig scheint da in möglichst großer Menge unproblematisch. Meint zumindest der Laie. Doch: Soll es wirklich grün sein, grün wie die Hoffnung und der Umweltschutz? Oder silbern oder golden, den Luxus des Festes assoziierend? Wie hätten wirs denn gern? Keine einfache Testfrage.
Glocken sollen und müssen sein, denn ohne Gebimmel wirkt die Optik stumm. Aber Pappe oder Metall? Silber oder Gold? Oder Plastik?
Dann die unerläßliche Verkehrsfrage. Der potentielle Käufer ist ohnehin von der Parkplatzsuche frustriert. Soll er auch noch im Schaufenster sehen, wie der Weihnachtsmann ganz ohne Autobahnpickerl im hochmodernen Kabriolet daherfährt? Oder ist der traditionelle Schlitten erwünschter, zumal sich hier die Verbindung zum Weihnachtseinkauf von Wintersportartikeln anbietet?
Wie ist es mit den mit kunstvollen Maschen verschnürten Paketen? Kleine Päckchen wirken praktisch, weil leicht zu tragen und zu verstecken. Große Pakete suggerieren weihnachtlichen Großeinkauf und der kann ja gar nicht groß genug sein.
Schwierige Entscheidungen im hilfreichen Test.
Für eine Krippe ist selten Platz. Einerseits die zentrale Wahrheit, andererseits ein konservatives Signal. Jesus, Maria und Josef im gestanzten Dutzend oder als barocke Kostbarkeiten? Hirten, Schafe, Könige? Sterne, glänzend oder elektrisch illuminiert? Wer das alles überlegt, für den wird verständlich, daß der Test nicht früh genug beginnen kann.
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