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Die Alleingelassenen

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SIE WISSEN HOFFENTLICH, WER CONNY IST; wenn nicht, fragen Sie einfach durchs Fenster'hinaus Teenagerfilm:įįWenn di&Conayi mitsdenf'Peter? (Conny Froboeß und Peter Kraus, für Millionen von Dreizehn- bis Siebzehnjährigen Begriff und Idol aus Film, Radio, Platte und Illustrierten) singt sie mit ihrem Partner das „Bundeslied“, betitelt „Teen-, Teen-, Teenager-Melody Nach einer Melodie, die am stilgerechtesten von einem durch Atemnot bedrängten Interpreten dargeboten wird, erzählt der Text von einer Party, bei der Conny und Peter persönlich anwesend sein werden. Eltern werden keine kommen, was die eindeutige Aufforderung ausdrückt: „Sagt Bescheid, ihr kommt heut spät nach Haus!“ Als passende Kleidung werden flache Schuhe, Bluejeans (vernietete Gradlhosen), rote, blaue Pullover und ein Petticoat (steifer, abstehender Unterrock, der neckisches Wippen der Röcke beim Gehen verursacht) empfohlen.

Was gehört noch zu einem standesbewußten Teenager? Er muß sich vor allem die inoffizielle „Bewegungszeitschrift“ „Bravo“ halten. Dieses 40 Seiten starke, reich illustrierte und bunt ausgestaltete Filmmagazin ist wöchentlich in Oesterreich zum Preis von 3.50 S zu haben. Als Nebenprodukt eines rięsigen deutschen Illustriertenverlages stehen ihm alle Mittel eines großen Presseunternehmens zur Verfügung, angefangen von Klatschreportern in aller Welt bis zu dem riesigen Photoreservoir und ausgezeichneten Graphikern. Die Auflage dürfte mehrere Hunderttausend, wenn nicht mehr, betragen. Hauptthema sind die von den Teenagern verhimmelten Stars, gleich, ob sie filmen, singen oder nur mit Kurven und Scheidungsaffären aufwarten können. Dem Wunsch nach „leichterer Begreifbarkeit“ der subtilen Materie kommt das Magazin in letzter Zeit durch die Bpmbenidee nach, zum Beispiel Brigitte Bardot in Lebensgröße zum Ausschneiden darzubieten. In einem Heft, das ich mir zufällig kaufte, wurde gerade ein Oberschenkel ins Haus geliefert; dazu folgender Text: „Die bisher erschienenen Stückchen von Brigittchen können beim Verlag — soweit der Vorrat reicht - angefordert werden. Wenn Sie alle Teile ausschneiden, sammeln und nach dem ,Bravo‘-Starschnitt zusammenkleben, werden Sie eines Tages die vollständige Figur von B. B. in ganzer Größe zu Hause haben. 156 Zentimeter Brigitte Bardot!"

Neben den mehr „geistig" ausgerichteten Erzeugnissen, wie Schlager und Presse, hat sich die Teenagerindustrie vor allem der Mode bemächtigt. Auch hier wird ein Blick auf die

Straße den besten Anschauungsunterricht er- tįeįĮęp, Dies ąetzt icfo„ 4at ji duęęh pilę, Ge- , brauchsgegenstände des -täglichen -Lebens fort, die sich nur irgendwie mit dem Zauberwort verbinden lassen und somit für die riesige, geschlossene Konsumentengruppe präpariert sind. Die guten, alten Pin-ups zum Beispiel, die in letzter Zeit ein beklagenswertes Kümmerdasein auf Mopedscheinwerfern führten, haben unter dem Teenageraspekt eine neue Belebung erfahren. Um 7.50 S werden in Papierhandlungen Farbzeichnungen mit Teenagertypen angeboten. Kindergesichter mit herzigem „Gschau" werden dabei mit einem „Unterbau“, Gehaben und Kleidung versehen, als gelte es, einen Talententdecker aus Hollywood zu becircen. Eine etwa 40jährige Frau äußerte sich dazu begeistert: „Diese Bilder sind richtig hübsch und natürlich, gerade wie die Mädchen heutzutage!“ Und so geht’s munter weiter … Vom Handkorb bis zur Frisur, vom Zimmerschmuck bis zur Jausensemmel (Anregung für den Schulwart). Soweit die Dinge, die dem Teenager geliefert werden. Was tut er selbst? Er sucht die Gemeinschaft von Gleichgesinnten, am besten in einem Klub. (Dazu die „Klubjacke" mit Phantasieabzeichen, an ein Collegewappen erinnernd.) Beim Besuch in einem Kellerklub bekam ich eine Einladung zu einer Bottle-Party. Das war so …

„NERVENTÖTEND WIRKT DIE RIDGEWAY’S BAND. Es singen Nina und Coobie. Für zusätzliche Unterhaltung sorgt Tommy. Boogie- Konkurrenz!“ Soweit die hektographierte Einladung. Ich kam um neun. In einer Ecke des gemieteten Kellercafes spielte die eigene Band und man tanzte gerade sehr ausdauernd Boogie. Deutlich teilte sich die junge Gesellschaft in drei Gruppen: die Musikanten, die Tanzenden (Pärchen) und- die gelangweilten Einzelgänger. Am nettesten waren die efsteren. Sie bemühten sich nach besten Kräften, Stimmung mit ihren Instrumenten zu erzeugen, ja sie waren aufgeregt und schienen sich für das Gelingen der Party verantwortlich zu fühlen. Schließlich trugen sie ja am meisten aktiv dazu bei. Bei den Tanzpaaren fällt das Fehlen einer Tanzrichtung auf. Jedes Paar bleibt auf seinem Platz innerhalb der Tanzfläche, wodurch sich das gemeinschaftliche Moment des Tanzes auflöst. Die männlichen und weiblichen Mauerblümchen am Rande warteten vergebens auf ein Programm. Zu Beginn der Boogie-Konku’ enz fand sich niemand, diesen Programmpunkt anzusagen oder Spielregeln bekanntzugeben, irgend jemand zeigte eine Weinflasche umher, die der Preis sein sollte. Das Bewertungssystem war allen Anwesenden unklar, und so bekamen einfach die zwei Paare, die sich neben einem dritten am eifrigsten zeigten, die Flasche, Aus. , '«’•Genug der AtffzählungGNichts wäretrverfehl- ter, als sich lustig machen zu wollen. Aber erst aus der Zusammenzählung aller Faktoren ergibt sich das Bild des Teenagers, von dem man viel hört, aber den man in Person nie trifft oder sprechen kann. Unsere jungen Leute sind nämlich mit Recht beleidigt, wenn man sie so anspricht, denn sie merken den geringschätzigen Unterton dieses Wortes, das die Erwachsenen für sie erfunden haben. Manche, um mit ihnen Geschäfte zu machen, viele, um ein Problem von sich zu schieben, das sie nicht beantworten können. Unsere Teenager sind doch jene Jahrgänge, die zu Kriegsende die Kindergärten bevölkerten,

in der Volksschule zur Taufe des Wirtschaftswunders. zurechtkamen, und schließlich die. die ihren' Vater nicht:.'riftWr '!kannten oder -anders heißen; als ihre Mutter, So-lächerlich es scheint, aber es ist eine traurige Ironie, wenn es den Schlagertexten vorbehalten ist, immer wieder von der Einsamkeit dieser jungen Menschen zu künden und von ihrem sehnlichsten Wunsch nach einem verstehenden Du. Sagen wir nicht leichthin „Teenager“ als meinten wir die anonyme Konsumentengruppe mit der die Manager rechnen, sondern sehen wir die Fragen im Gesicht des einzelnen, hören wir seine leise Bitte nach einer zurechtweisenden feindlichen Kritdenn sie wollen nicht alleingelassen sein in den entscheidenden Jahren ihres Lebens.

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