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Die vorweggenommene Laudatio

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War es der Umstand, daß die Vereinigten Bühnen Graz die Rechte für die österreichische Erstaufführung der Oper „Karl V.“ erworben haben, oder hat sich ein „Verantwortlicher" im Datum geirrt? Gleichviel; man muß die Feste nicht immer feiern, wie sie fallen, und ein vorweggenommener Geburtstagsgruß hat anhaltendere, freundlichere Wirkung als ein versäumter. Kurzum: Ernst Kreneks „Siebziger“, im nächsten Jahr fällig, wird im „Steirischen Herbst 6 9“ so gefeiert, als ginge in Kürze das Jahr siebzig zu Ende: Ein Orchesterkonzert mit Krenek als Dirigenten eigener Werke, ein Liederabend — Rudo Timper sang das „Reisebuch aus den österreichischen Alpen“ — mit Krenek am Klavier, ein Vortrag mit Diskussion über Wert und Unwert musikalischer „Fassungen“, ein Einführungsvortrag zur Oper „Karl V.“ (wie die Wertdiskussion ebenfalls mit Krenek als Mitredner) und schließlich die Österreich-Premiere dieser Oper, die hier nur durch eine Rundfunkaufführung bekannt geworden ist, läuten das Krenek-Jahr 1970 unüberhörbar ein. Da werden sich die anderen Städte nächstes Jahr aber schon ein Beispiel nehmen dürfen.

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War es der Umstand, daß die Vereinigten Bühnen Graz die Rechte für die österreichische Erstaufführung der Oper „Karl V.“ erworben haben, oder hat sich ein „Verantwortlicher" im Datum geirrt? Gleichviel; man muß die Feste nicht immer feiern, wie sie fallen, und ein vorweggenommener Geburtstagsgruß hat anhaltendere, freundlichere Wirkung als ein versäumter. Kurzum: Ernst Kreneks „Siebziger“, im nächsten Jahr fällig, wird im „Steirischen Herbst 6 9“ so gefeiert, als ginge in Kürze das Jahr siebzig zu Ende: Ein Orchesterkonzert mit Krenek als Dirigenten eigener Werke, ein Liederabend — Rudo Timper sang das „Reisebuch aus den österreichischen Alpen“ — mit Krenek am Klavier, ein Vortrag mit Diskussion über Wert und Unwert musikalischer „Fassungen“, ein Einführungsvortrag zur Oper „Karl V.“ (wie die Wertdiskussion ebenfalls mit Krenek als Mitredner) und schließlich die Österreich-Premiere dieser Oper, die hier nur durch eine Rundfunkaufführung bekannt geworden ist, läuten das Krenek-Jahr 1970 unüberhörbar ein. Da werden sich die anderen Städte nächstes Jahr aber schon ein Beispiel nehmen dürfen.

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Für den Musikfreund am aufschlußreichsten war bislang — die Erstaufführung von „Karl V.“ steht noch aus — das vom Komponisten geleitete, drei österreichische Erstaufführungen bringende Symphondekonzert der Brünner Staatsphilharmonie (mit dem Wiener philharmonischen Konzertmeister Josef Sivo als Solisten) im Stephaniensaal. Und dies, obgleich nicht die dem Umfang nach überdimensionierte II. Symphonie das Hauptwerk bildete (nach Rudolph Stephan „eine der kühnsten neueren Schöpfungen“), sondern die ebenfalls 1922 vollendete „Dritte“.

Diese klingt keineswegs kühn, aufrührerisch oder gar provokant, läßt eine halbe Stunde lang sorgfältige thematische Kleinarbeit zumal in der aparten Bläserbesetzung (zweifaches Holz, zusätzliches Kontrafagott, zwei Hörner und eine Trompete) bewundern und insgesamt in ihrer neoklassizistischen Prägung ziemlich kalt. Anders verhält es sich mit dem ersten Violinkonzert aus dem Jahr 1924; obgleich derselben stilistischen Gesinnung verpflichtet wie die II. Symphonie und in seiner Ein- sätzigkeit formal . eher verwirrend, bietet es in der Entwicklung kleiner Strukturen genügend Abwechslung und zudem der Sologeige in einer weit ausgesponnenen Kadenz alle Chancen, in der Hand eines Meisters durch Virtuosität und Wohlklang zu betören. Josef Sivo war dafür der rechte Mann.

Die rahmenden Stücke zu Beginn und am Ende, bei deren Vortrag sich die Brünner Staatsphilharmonie wie bei den Hauptwerken als expressiver und disziplinierter Klangkörper erwies, konfrontierten den jungen mit dem reifen Krenek. In der Ouvertüre zur Oper „Der Sprung über den Schatten“ ,(1923) foxtrottelt es keck den „Jonny-spielt-auf“-Schwung von 1926 vorweg; im 1967 geschaffenen „Horizont umkreist“ weist Krenek seine Beschäftigung mit seriellen und postseriellen Techniken nach.

„Er hat die eine wie die andere mit Akribie durchackert und gibt beide Techniken vorderhand nicht preis, da ihm deren Landkarte übersät dünkt mit weißen Flecken“, konnte Lothar Knessl in seiner bemerkenswerten Krenek-Studie (Elisabeth- Laflte- und österreichischer Bundesverlag) im Jahr 1967 noch schreiben. Und: „Krenek ist nicht so vermessen, das Vermessen auf halbem Wege abzubrechen. Er nimmt sich Zeit, sichtet kritisch das auf ihn Zukommende und das um so mehr, als die aus dem Gleichschritt geratene musikalische Zeit das Um und Auf seines Betrachtens geworden ist.“

Nun denn: Inzwischen hat Krenek preisgegeben. Was niemanden überrascht: Er beherrscht auch diese Technik souverän. Wie so viele (um nicht zu sagen alle), die ihren Webern kennen. Doch bleibt es der Fluch aller Fingerübungen, das Geheimnis der Persönlichkeit nicht zu enthüllen. Aleator audiatur. Pallas Athene weint. W. Frauenhofer PS: Zum Wochenende begann in Graz das „Musikprotokoll“: Mit einem Konzert des Symphonieorchesters von Radio Straßburg unter der Leitung von Roger Albin. Sonntags folgten in der Basilika Seckau in der Obersteiermark eine Matinee mit zeitgenössischer Orgelmusik nach und am Abend im Grazer Stephaniensaal ein Krzysztof Penderecki gewidmetes Konzert, das vom Sinfonieorchester von Radio Ljubljana und dem Akademiekammerchor Graz unter der Leitung von Karl Ernst Hoffmann musiziert wurde und zwei österreichische Erstaufführungen brachte.

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