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Doktor Jedermann

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Reinhardt faßte während der dreißiger Jahre den Plan, das Stück „Ceno- doxus, der Doktor von Paris” in Salzburg aufzuführen. Allerdings hatte er dabei Joseph Gregors Neufassung in Prosa im Sinn, diese war bereits, mit Raoul Aslan in der Titelrolle, am Burgtheater gespielt worden.

Zum zweiten Male geht Jakob B i derma n n s barockes Jesuitendrama vor der Klosterneuburger Stiftsbasilika in Szene, die Bearbeitung statnmt von Joachim Meichel und Walter H a u g. Traun, es kömmt uns schier das Staunen an, ob solcher Höllenfahrt des gelahrten Mannes I Gab Gregor dem Spiel zeitlosen, psychologischen Tiefgang, wenn er z. B. am Schluß den Cenodoxus ausrufen läßt: „Herr, warum gabst du uns den Geist? … Undurchführbar ist deine Welt, solange uns dies Geschenk gegeben ist, um der Versuchung willen!”, bricht in diesen Worten der tragische, zutiefst menschliche Widerstreit auf, so sieht man in Klosterneuburg ein theologisches Tendenzstück der Gegenreformation, das mit populären, drastischen Mitteln vor dem Sünder das Bild der drohenden Verdammnis heraufbeschwört. Christus ist hier ein unerbittlicher Richter der Welt, kein Gott der Gnade und Barmherzigkeit, der „sein’ Opfertod und Marterqual” in die Waagschale wirft.

Um das Stück mit dem Schauplatz der Aufführung in Einklang zu bringen wurde es weitgehend entbarockisiert, nur die Teilung in drei Spielebenen behielt man bei, die infernalische Unterwelt reicht mitten in den Zuschauerraum hinein, rot gfüht der Höifenschluqd ąu(įjdem£BeeJ ęr. bubs Geschöpfe entsteigen. In einer Sprache,’ die an gewollter Altertümelei alles überbietet, was Hofmannsthal an holzschnitthaftem Wort-Kunstgewerbe schuf, wird das Spiel vom Sterben des weisen Mannes abgehandelt, er heißt Magister, heißt Doktor gar, dennoch fällt er seiner unseligen Verblendung zum Opfer, und im Ringen um seine Seele fordert schließlich „die Hölle mit heiserm Lachen ihren Lohn” und behält auch Recht. Fruchtlos bleibt die Fürbitte des Schutzengels. Keine Hoffnung, kein tröstlicher Aufblick, nur Gottes Zorn. Wie sollen wir Menschen in unserer Schwäche vor solch einem unnachsichtigen Schöpfer bestehen?

Da hier der Spielort an sich den Ausschlag gab, gehören auch diese Klosterneuburger Freilichtaufführungen in jenes Kapitel neuerer österreichischer Theatergeschichte, das man mit „Jedermann und die Folgen” betiteln könnte. Helmut Schwarz nahm sich als Regisseur des ungefügten Textes an und schuf eine darstellerisch interessante Inszenierung. Vasa Hochmann, der Cenoxodus des Abends, ist kein wahrhaft böser, harter Mann, kein großer Übeltäter, eher ein Sünder, der, zu leicht beeinflußbar, den Versuchungen nachgibt, in die Fallstricke der Heuchelei (Maria Ott) und der Eigenlieb gerät (letztere von Eva Manhafdt als satanische Buhlschaft gespielt). Georg C o r t e n macht aus dem freßlustigen Schmarotzer Mariscus eine Gestalt aus den „Tolldreisten Geschichten”, Georg L h o t z k y dürfte in der Rolle des pfiffigen Dieners etwas kräftigere Farben zeigen. Die drei fletschenden, springenden, hämischen Teufel sind mit Otto T a u s i g, Jürg Kretz und Peter Frick gut besetzt und machen richtiges Höllenspektakel, ln wirkungsvollem Kontrast dazu Marianne Schönauer als Schutzengel im Uta-von-Namburg- Gewand, von starker innerer Anteilnahme getragen. Peter Weihs thront ‘ als Christus in der Höhe und greift erst zum Schluß in das Geschehen ein, der außergewöhnlich gute Sprecher erfaßt seine kurze Rolle ganz vom Wort her. Auch die übrigen Mitwirkenden boten profilierte Leistungen. Optisch eindrucksvoll das unheilverkündende Totengeleite des Cenodoxus, in der Scharlachfarbe des Gerichtes.

Allein, die künstlerische Problematik bleibt bestehen. Die Melker Stadtväter ließen nach zwei Sommern mit dem „Salzburger Großen Welttheater” den Stiftshof unbespielt. Sie wußten genau, warum.

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