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Ein geheimes Eiernest

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Sucht- und ihr werdet finden!” Wenn auch nicht auf die Ostereier bezogen, so ist es doch ein göttlicher Bat. Ebenso wie dieser: „Werdet wie die Kinder!” Womit das ganze Eierbrauchtum vom heidnischen Fruchtbarkeitskult glücklich ins Christliche gewendet wäre und zu jener tugendhaften Beschäftigung wird, über deren Erfahrungen ich zu berichten habe.

An einer suchfreudigen Kinderschar fehlt es in unserem Hause zu Ostern nicht. Und es herrscht an dem österlichen Feiertagsmorgen auch eine friedensfördernde Gerechtigkeit. Der eierlegende Osterhase bedenkt und beschenkt auch mich. Allerdings stellt er an meinen Spürsinn, dem fortgeschrittenen Alter entsprechend, höhere Ansprüche.

Die Suche fördert die Gemeinschaft. Ideal ist ein sonniger Oster -morgen wie im Bilderbuch. Die Kinderschar stürmt in den Garten und wühlt sich in die Büsche. Geschrei erfüllt die morgenkühle Luft. Sorge erfüllt die mütterliche Hausfrau, denn die Bekleidung der Kinder ist dünn und provisorisch. Wer hat denn schon Zeit zu ordentlicher Bekleidung, wenn der Jagd- und Suchtrieb zu früher Stunde erwacht! Der Osterhase hat sich ja schließlich auch nicht verkühlt. Die hastige Suche erwärmt Körper und Gemüt. Die Plage eines obligaten Osterschnupfens ist nichts im Vergleich zur Spannung der Suche. Ohne Risiko kein Gewinn!

Gelächter, Geschrei, Geraschel. Allmählich kommt in die gemeinsame Aktion System. Sinnlos ist es, bemerke ich mahnend, wenn alle gleichzeitig an derselben Stelle suchen. Vielmehr seien einzelne Sektoren des Gartens getrennt abzusuchen. Durch die ersten Such-Mißerfolge ernüchtert, teilt sich die Kinderschar. Der Morgenlärm ebbt ab. Die Strategie beginnt. Immerhin eine Erfahrung beim Eiersuchen, die Kindern im späteren Leben nützlich sein kann.

Ein Jubelschrei dann! Das erste Nest ist gefunden. Drei bunte Eier darin und noch dazu das goldpapier-umhüllte Mini-Denkmal des Osterhasen höchstpersönlich. Unter der Strauchwurzel, raffiniert mit Gras bedeckt. Triumph für den Finder, Ansporn für weitere intensive Suche.

Wer sucht, der findet! Das ist ja der Ansporn im irdischen Jammertal, wenn wir meinen, all unsere Mühe sei vergeblich. Finden ist uns verheißen, zwar unter Widerständen, aber doch. Auch bei den Ostereiern.

Und die Verheißung erfüllte sich. Nach einer halben Stunde waren etliche Nester gefunden. Die anderen, so sprach die um den gesunden und reinlichen Zustand besorge Osterhasen-mutter, die anderen Nester könnten nur im Inneren des Hauses sein.

Die Suche in der Zivilisation statt in der freien Natur erzeugt weitere Aufregung und Unordnung. Kästen werden verschoben, Laden aufgerissen, Kleiderständer umgeworfen, Geschirr klirrt, Polster fliegen umher. Ich der Schar hinterher, einerseits selbst suchend, andererseits die ärgsten Such-Schäden im Hause hintanhaltend.

Nach einer Stunde waren alle Kinder erfolgreich und glücklich. Frohe Ostern allerseits! Ich selbst fühlte mich müde und von der Aufregung gestreßt und auch ein wenig enttauscht. Denn mein Ostereiernest hatte ich nicht gefunden - und auf meine fragenden Blicke antwortete die liebliche Gattin mit vielsagendem Lächeln.

Findet wirklich, wer sucht? Glaubenszweifel am Ostermorgen sind un -passend. Ich würde später weitersuchen. Irgendwo müssen doch diese verdammten Ostereier verborgen sein.

Während die Kinder sich, feierlicher Versprechungen eingedenk, sittsam zur Morgenwäsche und Bekleidung begaben, suchte ich zunächst einen Bast- und Ruhepunkt und steuerte jenen besonderen Lehnstuhl an, der mein Privileg ist. Heute war seine Sitzfläche mit einer flauschigen Decke bedeckt und geschmückt. „Halt!” schrie die Gattin. Zu spät. Es knisterte und krachte. Ich saß auf meinen Ostereiern. Zum Schaden und zum Spott. Der Ostereier-Brauch hat doch eine zynisch-heidnische Komponente.

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