Werbung
Werbung
Werbung

Ein neuer Lyrikband von Walter Helmut Fritz sucht in einer bewegten Zeit den Stillstand im Augenblick.

Es gibt lyrische Texte, die sich "zeitleichten Fragen" stellen. Hineingegossen zwischen die Zeilen veredeln sie den poetischen Duktus. Denn die Zeit biegt sich nie zurück. Nach seinem 2003 veröffentlichten Band "Maskenzug" hat Walter Helmut Fritz nun wieder einen neuen Lyrikband herausgebracht. In seinen Gedanken über das Leben verbirgt sich eine tiefere Weisheit, aber auch Bescheidenheit. Und es ist gut, wenn dies alles unaufdringlich, ohne moralischen Zeigefinger geschieht, weil jemand den persönlichen Schatz der Erfahrung anzapfen kann und so zwanglos wie locker über das Leben schreibt.

Das Große im Kleinen

Immerzu ist es vor allem die Lyrik, die das scheinbar Selbstverständliche und Unscheinbare ins Visier nimmt und in wenigen Zeilen das Große im Kleinen spiegelt. Zu diesen Lyrikern zählt auch Walter Helmut Fritz, der in seinem Gedichtband "Offene Augen" in einer bewegten Zeit den Stillstand im Augenblick sucht und den Moment aus der Zeit heraushebt, um ihm Bewusstheit zu geben. "Dank für den Augenblick, / in dem die Helligkeit / wieder da ist, / sich an die Arbeit macht, / auseinanderfaltet, / was sich eben noch / verdeckt hielt", heißt es im Eröffnungsgedicht dieses Bandes, der auch Aufzeichnungen, Prosaabschnitte zu vielfältigen Aspekten bereithält.

Und natürlich sind es die großen Themen, die Fragen der Zeit inmitten von Vergänglichkeit und Tod, die in diese Lyrik hereinragen. Das Innehalten angesichts der Vergänglichkeit, wenn ein gewöhnlicher Grashalm in der Erinnerung vom weiter schwingenden Weg zu erzählen vermag in einem Lichtgestöber, "das unablässig / die Dunkelheit rodet". Ähnlich präsentiert sich in vollem Glanz der sich schön machende Abend im Spiel "der letzten Farben und Spiegelungen". An anderer Stelle thematisiert Fritz "Vergänglichkeit" "als Fest, / das dauert" im Bild einer sich zur Blüte entfaltenden Knospe, die sich am Abend wieder schließt.

Wie so viele Lyriker setzt Fritz auf die genaue Wahrnehmung, zum Beispiel im Stehen vor einem Wasserfall oder am Ufer eines Flusses. Verstorbene Angehörige kristallisieren sich nach wie vor als Lebensbegleiter heraus. Der Großvater ist präsent beim Bau der Nussschiffchen oder beim Entdecken der Natur. Dazu passt auch die Reflexion über seinen Lehrer Gadamer: "Gibt es nicht den Blitz, / der für einen Augenblick / das Dunkel aufreißt / und zeigt, daß lebt, / was vorbei ist?"

Das Alter als Balkon

Einen breiten Raum nehmen diverse Aufzeichnungen ein, in denen es unter anderem um Erinnerungen an Dichterkolleg/inn/en, eigene Erlebnisse, Kunst oder um Reisen geht. Marie Luise Kaschnitz war, wie Fritz schreibt, auf der Suche nach dem "einfachen Augenblick". Oftmals formte sie mit ihrer Hand einen Blütenkelch, während sich die Bäume vor dem Fenster dem Wind stellten. Der Wind trieb sie ins Freie, denn "sie liebte es, ihre Kräfte mit den seinen zu messen; es war dann, als rollten ihre Schultern". Und es verwundert nicht, dass sie das Alter nicht mit einem Kerker verglichen hat, sondern es vielmehr als Balkon gesehen hat, "von dem aus man zugleich weiter und genauer sieht, von dem man unter Umständen, vom Blitz getroffen oder von einem Schwindel überkommen, hinabstürze …"

Die Fülle der Begegnungen und Eindrücke, die in diesem Buch präsent sind, verweisen auch auf die unbegreiflichen Seiten des Lebens, die oft zu einem Motor geworden sind. Dabei ist "das am meisten Erwartete" vielleicht ausgeblieben, hat aber gleichzeitig den Blick verrückt und "Fernsicht" ermöglicht. Der leise Ton spiegelt auch Dankbarkeit wider, wie hier: "Groß die Untergänge der Sonne. Wie glühten sie nach."

Offene Augen

Gedichte und Aufzeichnungen von Walter Helmut Fritz

Hoffmann und Campe, Hamburg 2007 108 Seiten, geb. € 18,50

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung