6651311-1959_02_15.jpg
Digital In Arbeit

Grausames „Australien“

Werbung
Werbung
Werbung

Das Programmheft gibt eine Vorwarnung aus der Feder der Uebersetzer, Curt und Maria Prerauer: der Australier ist hart, grausam, zynisch, brutal. Und begründet dies: „Wer unter den Pionieren der Härte Australiens keine eigene Härte entgegenzusetzen hatte, ging unter." — England, das für Grausamkeit auf der Bühne und in der Literatur immer anfällig war, schon vor Shakespeare, erlebt gegenwärtig eine australische Renaissance. Romane, bildende Kunst und nun eben dieses Bühnenstück aus Australien werden dort zum Riesenerfolg. Uns aber behagt „Der Sommer der 17. Puppe“ von Ray Lawler nicht. Nichts gegen die bedeutende Darstellungskraft, mit der da Hilde Krahl und Paula Pflüger als Bardamen und „Freundinnen“ von Saisonarbeitern, Dorothea Neff als bitter-alte

/Mutter und, einziger Lichtblick, freundlich hell, Maria Urban als junges Mädchen Bubba am Werk sind. Nichts gegen die Herren Hans Rüdgers und Edd Stavjanik, die die Roheit, Brutalität und Sentimentalität der Zuckerrohrschnitter Roo und Barney glaubwürdig und kraftvoll zum Ausdruck bringen. Nichts gegen Wolfgang Liebeneiners Regie. Aber alles gegen dieses Stück. Hier wird ja nicht, wie das Vorwort der Uebersetzer insinuieren möchte, die Symphonie eines mächtigen Kontinents, der heute noch urweltliche, vorzeitliche Prägungen in seinen Wüsten, seiner Fauna und Flora zeigt, sichtbar, sondern, gesch'ckt drapiert mit „romantischen“ Bühnenrequisiten, den 17 Puppen, die Röo in 17 Jahren in der „Zwischensaison" seiner Freundin Olive gebracht hat, jene Primitivität und Brutalität zur Schau gestellt, die wir hierzulande und allüberall auf der Welt heute in Millionen Exemplaren täglich erleben können. Die Prügeleien Roos und Bameys, ihre Angeberei und Sentimentalität: in der Nähe unserer Musikboxen, auf der Straße (in den „Auseinandersetzungen" der Fahrer), an der falschen Ekstase unserer von Gangstern und anderen Fetischen der Vergnügungsindustrie begeisterten „Jugendlichen kann jedermann jederzeit dieselben Szenen, gerade auch im „Verkehr“ mit den „Mädchen“ beobachten,

die hier stundenlang ausgewalzt werden. Wobei gerne zugestanden wird: daß siclT an die öde Langeweile der ersten Akte ein Furioso anschließt, dem die Kunst der Schauspieler eine Bedeutung leiht, die ihm in Thema und Gestaltung durch den Autor nicht zukommen. Hat der heftige Beifall des Publikums den Sinn: „So sind wir?“ Wir wagen keine Antwort.

Das Kleine Josefstädter Konzerthaustheater begann das neue Jahr in engster Anlehnung an den Kalender: mit dem Fasching, mit einer satirischen und spritzigen, ironischen und von klugem Gedankenflug in die literarische Persiflage abgeleiteten Komödie Hans Weigels „Das wissen die Götte r“. Viel Ironie, Selbstironie, Zeitkritik und Dialektik gibt es in den drei amüsanten, wortgewandten Akten, vor allem aber "den sehr behäbigen, homerischen Humor Ernst Waldbrunns, der dieser lustigen Farce erst das rechte komödiantische Profil gibt. Schauplatz der Parodie ist das alte Hellas der Penelope und des Odysseus. Thema ist die Ilias des Homer, der uns als antiker Kriegsberichter und Reporter entgegentritt, als köstlich-komische und wohl auch tragikomische Figur, die viel studentischen Spott über sich ergehen lassen muß. Ein leichter Abend, ein netter Abend einer gutgelaunten, pointierten Kleinkunst — indes Hans Weigel, der brillante, scharfe Publizist und Kritiker, hat schon Gewichtigeres geschrieben. Das wissen die Götter. Neben Ernst Waldbrunn bestechen Luzi Neudpcker, Franz Messner, Michael Heltau, Ursula Schult, Hans Jungbauer: für die saubere, durchgearbeitete Inszenierung zeichnet Friedrich Kallina.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung