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Herzliche GlücIcwünscL

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Glückwünsche können den Menschen in den mannigfaltigsten Lebenslagen ereilen. Zu bestimmten Zeiten verdichten sich die Kartensendungen, etwa an Geburtstagen. Auch zu gewissen Einzelereignissen brechen sie mit elementarer Wucht los: man denke nur an Promotionen und Eheschließungen.

Während man aber alle diese Glückwunschkarten ein wenig steuern kann, je nachdem man das den Glückwünschen zugrunde liegende Ereignis stark publiziert oder möglichst bei sich behält, ist man gegenüber den Fröhlichen Weihnachten und das Glückliche neue Jahr machtlos. Wenn man überzeugt sein dürfte, daß diese — und alle anderen — herzlichen Glückwünsche wirklich einem Herzensbedürfnis unserer liebsten Freunde entspringen, dann hätte man alle Veranlassung, gerührt, geschmeichelt und glücklich zu sein.

Aber wir wissen ja aus eigener Erfahrung, wie das so ist mit den „Feiertagswünschen“. Wenn man Ende November, Anfang Dezember die ersten Glückwunschkarten in den Schaufenstern der Papierwarengeschäfte sprießen sieht, dann schwört man, diesmal die Verteilerliste auf das unumgängliche Minimum zu reduzieren und nicht mehr als fünf oder höchstens acht, allerhöchsten zehn Karten zu versenden. Und wir kaufen also ein rundes Dutzend Weihnachts- und Neujahrskarten, halb und halb. Es ist dies, wie sich zeigen wird, das erste Dutzend.

Denn sobald man einmal mit etwas mehr Verantwortungsgefühl an die heikle Aufgabe des Adressenschreibens herangeht, erweist sich, daß man den Kreis der Empfänger doch nicht zu eng ziehen darf. Ein leitender Gedanke bei diesen Erwägungen ist dabei stets die Befürchtung, man könnte Glückwünsche von einer Seite erhalten, die man mit eigenen Glückwünschen nicht bedacht hat. Schließlich: auf ein oder zwei Karten mehr oder weniger kommt es nicht an. Man kauft also ein zweites Dutzend.

Sind dann alle die Tannenzweiglein und Schneeflocken, die Kerzen und Kirchturmglocken, die verschneiten Kapellen und die Rehe im Eiszapfenwald glüeklich im Briefkasten gelandet, dann treffen auch schon, etwas verfrüht, die ersten Glückwünsche bei uns ein. Von wem? Dreimal dürfen Sie raten. Natürlich, ganz recht, von genau jenen, denen wir heuer nicht geschrieben haben. So knurrt man also ein paar Worte, die nicht gerade von Weihnachtsfrieden künden, stürzt in die Papierhandlung und kauft das dritte Dutzend Karten.

Diesmal ist es für Weihnachtsgrüße schon zu spät, und so greift man gleich zu den Kaminfegern, Kleeblättern und Schweinchen. Die Kleeblätter sind mit Diamantenstaub bestreut und die rosigen Schweinchen 'haben echte Blattgoldzähne. Dann noch das Porto drauf — und die glücklichen und fröhlichen Tage können beginnen.

Zuweilen bergen Feiertagsgrüße aber auch Rätsel in sich, die eines kriminalistischen Spürsinns bedürfen. Da sind etwa jene Karten, auf denen mit eilig hingeworfenen Schriftzügen steht: „Herzlichst! Herbert.“ Herbert — Herbert? — Onkel Herbert ist es nicht. Von dem liegt schon eine Karte vor, und der hat auch eine ganz andere Schrift. Poststempel ansehen! Natürlich unleserlich, aber im Inland aufgegeben. Herbertf

Tagelang kann man über solch einer Karte sitzen, bis ein phantasiebegabtes Mitglied jäh aus der Trance aufwacht und triumphierend ruft: „Das ist doch der Herbert, den wir im Sommer 1949 am Titisee kennengelernt haben,

der blonde, mit der schwarzbraunen Badehose!“ Aha, also der! Gott sei Dank! Woher der Bursche nur unsere Adresse weiß?

Woher wird er sie schon wissen? Aus dem Notizbuch, aus dem säuberlich alle Jahre übertragenen Adressenverzeichnis. Dort hat er den Namen gefunden, sich nichts dabei gedacht und daher vorsichtshalber eine Karte losgelassen.

Der Reingewinn des Kärtenaustausches ist für die unmittelbar Beteiligten gering. Vom Standpunkt der Gesamtwirtschaft, des- Staatshaushaltes und des Nationaleinkommens betrachtet, sind die Glückwünsche hingegen außerordentlich wichtig. Wer zählt die Künstler, nennt die Fabriken, die mit der Herstellung der Karten beschäftigt sind und durch Gehälter und Löhne beachtliche Gesamtsummen in Umlauf bringen!

Und erst die Post! Gewiß, die Briefträger keuchen unter der Last der Gratulationen, aber die Postverwaltung reibt sich vergnügt die Hände. Denn die Etikette* in der die Weisheit der Jahrtausende “ “geä'prefchert • ;'istv“viaiiiW gebieterisch; daß man Glückwünsche riicnV all' „Drucksache“ und nicht als einfache Karte in die Welt flattern läßt, sondern sie sorgsam in ein Büttenrandkuvert einschließt.

Selbst wer im Urlaub noch so sorgsam die fünf Grußworte abzählt, zahlt im Dezember das volle Briefporto.

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