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In Bregenz triumphiert der Orient

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Die Bregenzer Festspiele haben einen kühnen Wurf gewagt: sie brachten das Drama „Helena bleibt in Troja“ von Selahattin Batu in der freien Nachdichtung von Bernt v. Heiseier zur Uraufführung.

Ein Türke schlüpft in das Gewand des Dichters der griechischen Tragödie. Er verwendet den Chor, er rafft das pausenlose Spiel auf 90 Minuten. Er widerspricht Homer: Helena ist auch in Troja die innerlich Reine geblieben, die an ihrem Gatten, ihren Kindern und ihrem Volke hängt. Als sich Trojas Schicksal erfüllt, muß sie erkennen, daß sie zehn Jahre lang in einem furchtbaren Irrtum gelebt hat. Kämpften die Griechen wirklich um sie? Nein, es ging um Morden„ Schänden und Plündern. Der „gerechte" Kriegsgrund offenbart sich als elende Heuchelei. Helena war ein lächerlicher Vorwand. Und nun erlebt sie ihre innere Läuterung. Soll sie wieder als Königin an der Seite eines Siegers nach Griechenland zurückkehren? Da bleibt sie lieber in Troja unter den Trümmern, bei den mißbrauchten Frauen. Sie wird. Prophetin einer neuen Menschlichkeit, die :jroi. ihrem. V-olk.. verraten :wurde Das Wiener Burgtheäter sfeUte dem Regisseur Arnulf Schröder Spitzenschauspieler zur Verfügung. Für Heinz Woester (Agamemnon) und Stefan Skodler (Menelaos) ist der Krieg längst zu dem geworden, was er wirklich ist, nur Jürgen Wilcke (Achill) lebt in romantischen Vorstellungen, die er mit dem Leben bezahlt. Die tragenden Rollen sind drei Frauen anvertraut: Käthe Gold verkörpert Helena in einer selbst von dieser Künstlerin kaum je erreichten Spitzenleistung, sekundert von Vera Balser-Eberle (Hekuba) und Elisabeth Höbarth (Andromache), aus denen das tiefste weibliche Leid spricht. Nicht vergessen seien Felix Steinbock als erschütternder Priamos. Eva Zilcher als Seherin Kassandra und Dientlindt Haug als mädchenhafte Polyxena. Weniger dankbar ist die Rolle für Robert Lindner (Paris).

Selahattin Batu schleudert eine Anklage in die Menschheit. Spricht er eigentlich von Troja oder hat der Trojanische Krieg noch gar nicht aufgehört? Führt er uns in den greuelvollen griechisch-türkischen Krieg von 1922, oder hat er Studien in Warschau oder in Wien gemacht? Ereignet sich sein Troja heute in Algerien? Er konnte an der Wirkung seines Stückes in Bregenz sehen, wie laut er gesprochen hat: die erste Aufführung seines Dramas war ein Ereignis für Europa, nicht nur wegen der Anwesenheit zweier Staatsoberhäupter.

Johann Strauß’ „10 0 1 Nacht“ geht heuer auf dem Bodensee zum zweitenmal in Szene. Unverkennbar der Fortschritt gegenüber der Aufführung von 1949. Vor allem hat die Bühne an Umfang gewonnen, wenn sie auch heuer von Uebertreibungen abrückte und sich auf wenige harte Linien beschränkt hat. Zwei durch eine Riesenbrücke verbundene Inseln, eine Kuppel und vier Palmen, das ist die Illusion des Orients.

Bühnenbildner Walter Hoeßlin hat einen neuen, gelungenen Versuch gemacht: eine Insel im Hintergrund ist zu Wasserspielen ausgenützt. Damit hat Bregenz das alte Barocktheater mit Erfolg belebt. Wasserschleier in verschiedenen Farben sind ein einzig schöner Hintergrund.

Die Inszenierung von" Adolf Rott und die musikalische Leitung von Heinrich Holfreiser haben die historische Operette glücklich modernisiert, so daß sie keinerlei alten Staub trägt. Die Doppelrolle des Sultans und des Fischers ist mit Anton Dermota ausgezeichnet besetzt. Hanny Steffek jst eine zarte, sehnsuchtsvolle Leila, Eta Köhrer als resche Wienerin Wally ein wirkungsvolles Gegenstück.

Besonderes Lob verdienen die Wiener Symphoniker und das Wiener Staatsopernballett, das, eine geschickte Einfügung, als Höhepunkt des Abends den Walzer „An der schönen blauen Donau" tanzt. Den Bregenzer Festspielchor leiten verdienstvoll Rudolf Schramek und Wilhelm Schosland; die zahlreiche Teilnahme der Bevölkerung an diesem Chor beweist, wie sehr die Bregenzer Festspiele schön populär geworden sind.

DIP Ballettabende’zeigen1 wirkungsvoll den--Gegen- fa'tž aes afodffhefe-’TJ.Mėd’ūSa"sW tÄrWKriron, Einem) und des klassischen Tanzes („Don Juan" von' Christoph Willibald Gluck). Gerade diese Zusammenstellung zeigt die Spannweite, die sich Bregenz bei der Programmbildung auf jedem einzelnen. Gebiete der darstellenden Kunst gesetzt hat. Mit dem Erfolg des Beginns darf Direktor . Bär hoch zufrieden sein.

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