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Ferien im Herbst

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Es ist merkwürdig in diesem Jahr. An Urlaub mag man eigentlich gar nicht denken. Das hängt natürlich mit dem andauernden schlechten Wetter in diesem Frühjahr zusammen — und mit der Befürchtung, auch der Sommer könnte teilweise verregnet sein, wofür gewisse pessimistische Wetterprophezeiungen reichlich Anlaß geben.

Die Badeanzüge an den Plakatwänden empfindet man als Hohn und es scheint, daß man heuer kaum Sommerkleider und Shorts brauchen wird, von Sandalen ganz zu schweigen. Dabei scheint in diesem Jahr nicht einmal der „sonnige“ Süden eine Garantie für ungetrübtes Badevergnügen zu bieten. Wer Ende Mai ein langes Wochenende dazu benützt hat, um eine Spritztour an die Adria zu unternehmen, weiß von Kälte, Regen und Sturm zu berichten. Ende Mai, wo man sonst oft schon im heißen Sand lag.

Das alles kann sich schlagartig ändern, Wetterumschwünge sind immer möglich. Aber wenn einer demnächst in die Ferien fahren soll, weil er sich — nichts Böses ahnend — für einen Sommertermin in die Urlaubsliste eingetragen hat, kann man schon verstehen, daß seine Vorfreude gering ist. Hätte ich mir doch, sagt er sich, mehr Zeit gelassen, hätte ich doch später Urlaub genommen — am besten im September! Da ist das Wetter beinahe immer schön und stabil, auch wenn der Sommer noch so verregnet war. Sein Schreibtischnachbar im Büro hat vorläufig keine Wettersorgen, denn er geht erst Mitte September auf Urlaub. Er hat sich, wie jedes Jahr, für diese Zeit entschieden, weil er sie für die beste hält. Nicht nur des Wetters wegen, denn daß der Herbst die schönste Zeit im Jahr ist, weiß er längst. Es gibt auch andere Überlegungen, die für den späten Urlaub sprechen.

Der bezauberndste Ort kann einem verleidet werden, wenn er von Touristen überflutet ist, wenn man auf Schritt und Tritt von Radau und Massenansammlungen belästigt wird. Im Restaurant, im Bad, beim Sessellift — überall trifft man in der Hauptreisezeit auf lärmende, drängende, ungeduldige und räsonierende Menschen. Wer nur eine Spur von Idividuali-tät besitzt, weicht dem Fremdenverkehrsstrom aus, er vermeidet die allzu enge Tuchfühlung, die mit dem Massentourismus unweigerlich verbunden ist.

Es gibt aber noch weitere Plus des Herbsturlaubs: er ist billiger. In der sogenannten Nachsaison kann man sich ein besseres Hotel leisten, und zwar für das gleiche Geld, das man ein paar Wochen früher vielleicht für ein weniger bequemes Quartier bezahlt hat. Alle Fremdenverkehrsbetriebe bieten im September preiswerte Zimmer und Mahlzeiten an, aber nicht nur das: der späte Sommergast wird geschätzt, er wird individuell behandelt und verwöhnt. Er erhält also mehr für weniger Geld. Und er hat seine heilige Ruhe. Nichts stört seine Erholung und sein Wohlbefinden.

Wenn man das alles zusammennimmt, könnte das wenig verlockende Wetter, mit dem sich der Sommer anläßt, so manchen Urlauber doch wirklich veranlassen, seine Pläne umzustoßen und erst im Herbst Ferien zu machen.

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