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„Meister des starken Wortes und Lebens”

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Heinrich Suso Waldeck besaß es selbst, das er preisend besang, „das magische Wort, dem schaffenden Schauen folgend”. Was für ein sinnenmächtiger und zugleich sprachgewaltiger Meister! Was für ein alles durchdringender und auseinanderlegendes und doch wieder so auferbauendes und gestaltendes Auge! Was für ein den Schicksalsdonner wie die Grillenweise liebend erlauschendes Ohr! Was für ein ahnendes, um den Menschen wissendes Herz! — Ahnen, wissen wir jetzt, da wir es nun in allen seinen Kammern bewohnen können. Die Antlitzgedichte, Die milde Stunde, Rast im Dunkel (Nachgelassene Gedichte). Er kannte das Leben wie den Tod, ging mit dem Engel um und dem Teufel, mit oller Himmels- und mit aller Höllenwirklichkeit. Nein, die Mitte liebte Heinrich Suso Waldeck nicht, sondern die Pole, den wilden Pendelausschlag der Leidenschaft, die die Leiden schafft. Diesem Herzen stand selbst noch der Lustmörder näher als der Laue, der Schlaue, als der selbstgerechte Frömmler; das ganz und gar gefallene Mädchen liebte er weit eher als die „Sündenschlinger”, so da „wandeln rein”, doch ewig „hungern nach Ärgernis”. Ein tiraumdunkler Sänger wie Georg Trakl, ein geistesheller „Philosoph des Glaubens” wie John Henry Newman, durchmißt dieser Priesterdichter klingenden Schrittes die Fegefeuerwelt um ihn und in ihm, alle ihre Höhen und Weiten, Engen und Tiefen: „Was groß, was klein! Es schwinden die menschlichen Maße, wenn einer Unendliches fühlt in gesegneter Stunde, der maßlose Gott ihn anweht aus dem Begrenzten.” Bedroht, schaurig bedroht von der Fäulnis der Sünde, zerschunden und zer- Schrunden von der Geißel des Zweifels, ermattet und erschöpft von der Bürde des Pessimismus, geht er doch nicht irre und verloren, rettet ihn immer wieder aus dem Bereich der Dämonen das Michaelische, das Marianische. Ja, es ist zumeist und zuletzt die Himmelsmutter, die den beinahe verlorenen Erdensohn den Höllen entreißt und ihn heimholt an die Brust des himmlischen Vaters. („Wohin begrab ich die unerträgliche Last, wenn nicht hinan in die letzte Gerechtigkeit?” fragt sich bei Suso Waldeck noch der „harte, höhnische Gottesleugner”.) Was für ein um- und aufwühlender, erregender Künstler- und Menschenweg! Und wie wuchern, heute noch, an seinen Rändern das Gestrüpp des Mißverständnisses, die Nessel des Verkanntseins! Dieser große Dichter hatte in Österreich unter den Neueren nur Josef Weinheber eis ebenbürtig an der Seite, dessen kongenialer Freund er war. Es ist an der Zeit, aus Anlaß dieser würdigen und verdienstvollen Gesamtausgabe, Heinrich Suso Waldecks lyrisches Werk als gesamtösterreichischen Kulturbesitz unserem Bewußtsein, unser aller Bewußtem einzuverleiben; denn der Umstand, daß der Dichter außerdem als Augustin Popp ein katholischer Priester war, reicht nicht hin, ihn einfach tot.uschweigen, rechtfertigt den Zustand nicht, daß wir ihn gleichsam wie hinter einer zwar durchsichtigen, aber schalldicht gemachten Wand (Zufall oder Absicht?) wohl sprechen sehen, aber seine Stimme nicht hören können. Es geht um einen unerträglichen Zustand!

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