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Musik des Sommers in Wien

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Die „Serenadenkonzerte" im Arkadenhof des Neuen Wiener Rathauses blieben auch am 11. und 12. Abend ihrer konservativ akzentuierten Programmlinie treu. Am 31. Juli hatte Kurt von Tenner, der für differenzierte Rhythmik und nuancierte Klangfarben ein sensibles Organ besitzt, J3äste aus allen musikalischen Weltgegenden — die Slawen Ljadow und Borodin, den Franzosen Biz et und die Oesterreicher Haydn und Schubert — zu einer klingenden „Abendgesellschaft" vereinigt, die Haydns „Notturno" Nr. 1, die immer wieder beglückende Rosamunden-Ouver- türe Schuberts, die erste „Arlesienne"-Suite Bizet, die impressionistische Vision des „Verzauberten Sees" Ljadow und die wilde Rhythmik der „Polo- wetzer Tänze" aus „Fürst Igor" Borodin in die Ohren und Herzen der Hörer musizierte. T e n- ners eigenes Werk „Augustiniana" stellt sich bewußt und berechtigt in die Tradition der Variationenwerke — es variiert das bekannte Wiener Volkslied „O du lieber Augustin . .." —, wie sie Brahms, Reger und zuletzt Franz Schmidt vorbildlich gepflegt haben. Tenner leistete saubere kontra- punktische Arbeit, benützte impressionistische Klangelemente und die Palette des Richard-Strauß- Orchesters, mit der er besonders hübsch die barocke Volks- und Festmusik der vorletzten Variation und die schöne Schlußfuge des Werkes musizierend „malte". Das Orchester des „Neuen Wiener Konzertvereines" folgte willig der feinnervigen Hand des Dirigenten Tenner.

Es musizierte auch begeistert unter der Leitung des jüngsten Vertreters der „Dynastie Strauß", unter Eduard Strauß, der sich großer Beliebtheit erfreuen darf. Hatte man am 31. Juli- Gäste aus dem Ausland geladen, so konnten die „Wiener vom Grund" den überaus zahlreichen Besuchern am 4. August mit den Klängen des Johann-Strauß- Walzers zujubeln: So ist’s „Bei uns z’haus”! Eduard Strauß hatte aus dem Werk seines Urgroßonkels Johann Strauß-Sohn ein Programm gewählt, das neben Bekanntem auch weniger Bekanntes des W’alzerkönigs stellte. Vielleicht ist er berufen, die schöne Tradition Clemens Krauß’ würdig fortzusetzen. Der Dank der Zuhörer wurde durch „Draufgaben" belohnt. Es war so richtig eine „Nachtmusik" nach dem Herzen der Wiener, die auch die Herzen der zahlreichen Gäste verzauberte.

Allen Zaubers bar war allerdings ein anderes musikalisches Sommerereignis dieser Tage. Die „Wiener K a m m e r o p e r" im Konzerthaus brachte als Eröffnungspremiere am 1. August Gioacchino Rossinis seit 1813 vergessene geniale Jugendoper „Signor Bruschino" heraus. Einem 21jährigen Genie gelang damals ein Wunder an Witz und musikalischem Geist. Ihn richtig zu interpretieren, vermögen vielleicht wirklich nur die reifsten Künstler der Mailänder Scala. Für die Wiener Regie zeichnet Dr. Haerdtel, für die musikalische Leitung Hans Gabor. Für die Darstellung hat man sich junge Nachwuchskräfte geholt, in der Annahme, ihnen damit eine Chance zu geben, die sie aber nicht nützen konnten. Selbst für eine „Liebhaber-Aufführung" reichte ihr Können nicht hin. Ihre Namen wollen wir mit Ausnahme des begabten Robert Granzer der „Generalpause des Schweigens" überantworten. Hier hat man sich mit unzulänglichen Mitteln an einem Meisterwerk vergriffen, und Rossini hätte wohl, gleich seinem alten „Vater Bruschino", auch diesen „Wechselbalg", Jer da aus seiner Oper wurde, verleugnen müssen — schon, um „nicht mitschuldig zu werden" wie an der seinerzeitigen Bearbeitung Offenbachs. An dieser traurigen Einsicht vermag auch der gutgemeinte „Verwandtenbeifall" für die Aufführung nichts zu ändern. Aber Experimente sind ja dazu da, daß wir aus ihnen lernen…

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