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Österreichische Werkstätten

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Das Wiener Kunsthandwerk hat in den letzten 25 Jahren einen sehr ausgeprägten und dem genius loci angemessenen Wohn- sti'l geschaffen. Die von ihm geformten Möbel-, Einrichtungs- und Gebrauchsgegen- stänide haben eine nahe Verwandtschaft zu solchen des Biedermeiers, ja die Ähnlichkeit geht so weit, daß man, ohne die Begriffe vergewaltigen zu müssen, in der Kunstgeschichte des Wiener Möbels von unserer Zeit als einem „Zweiten Biedermeier“ sprechen könnte. Das ist kein Zufall. Das Biedermeier, das sich in unserer Stadt entfaltete, hat den „klassischen" Wohnstil geschaffen, in welchem sich nach vielen Jahrhunderten zum ersten Male das Möbel wieder dem Menschen vollkommen unterordnet und auf dessen Bedürfnisse abgestimmt ist; das Biedermeiermöbel ist einfach, praktisch, solide und ornamentlos gearbeitet: das entspricht den gleichen Bedingungen, die das moderne Einrichtungsstück erfüllen soll. Kein Wunder also, daß Biedermeiermöbel auch heute noch gerne gekauft und verwendet werden, daß sie schätzenswerte Vorbilder abgeben, und kein Zufäll, daß trotz mannigfaltigen Stiländerungen und -Wirrnissen gute Handwerker zwar nicht Stilkopien schaffen, aber auf den formalen Grundlagen des Biedermeier Weiterarbeiten.

Wenn indessen Geschmack und Zuverlässigkeit des Wiener Kunsthandwerkers unbezweifelbar sind — der Geschmack des Massenpublikums ist leider schlecht. Es weiß nicht zu unterscheiden zwischen äußerer Aufmachung und innerem Wert, es zieht eine glänzende, schlechtgeleimte Fournierung der praktischeren und schöneren Mattbeizung vor und trägt lieber eine grellbemalte Keramikmonstrosität nach Hause, als eine einfache und schöngeformte Vase. Die Serienproduzenten, die Fabriken, richten sich nach diesen Wünschen und so ergibt sich das Paradoxon, daß das Kompliziertere und Pompösere billiger auf den Markt kommt als das schmucklos aus heimischem Holz gefertigte Möbelstück. Der Kitsch gewinnt die Konkurrenz, das gute Handwerk und die saubere Arbeit leiden.

Diesen Zustand wollen die neugegründeten „österreichischen Werkstätten“, eine Arbeitsgemeinschaft der Wiener Kunsthandwerker, ändern, indem sie zunächst in vorbildlichen Ausstellungen dem Publikum wie dem Gewerbe Beispielhaftes vor Augen führen, Entwürfe für Serienherstellungen liefern und schließlich in Vorträgen und Führungen aufklärend wirken wollen. Ein Unternehmen also, das wie jede auf Hebung des künstlerischen Niveaus bedachte Anstrengung zu begrüßen ist und das dem schon in Mißkredit geratenen Namen des österreichischen Kunstgewerbes hoffentlich gute Dienste erweisen wird.

Die erste Verkaufsausstellung der „öster- richischen Werkstätten“ auf der Kärntnerstraße erfüllt wohl noch nicht alle Wünsche, die ihren Neugründern vorschweben. Die gezeigten Dinge — Möbel, Gläser, Keramik und ähnliches — sind zwar solide und formschön, nicht immer aber auch materialgerecht. So ist zum Beispiel das nachgerade zum Modewurkstoff gewordene Messing in höchstem Grade unpraktisch, denn es bedarf dauernder Pflege; ein Gebrauchsgegenstand soll aber — das gehört zu den wichtigsten Forderungen — gerade durch den Gebraudi schöner werden, wie etwa unpöliertes Kupfergeschirr. Auch sehen Tische und Stühle mit spitz zulaufenden Beinen zwar hübsch aus, sind aber nicht gebrauchstauglich. Im Spielerischen steckt eine Gefahr, die dem österreichischen Kunstgewerbe immer droht.

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