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Osborne, Molnar, Nestroy

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Dem „Kleinen Theater der Josefstadt” im Konzerthaus ist ein Volltreffer gelungen mit der von Hermann Kutscher als Regisseur betreuten Aufführung des „Epitaph für George D i 11 o n” von John Osborne und Anthony Greighton. Dieses frühe Stück trägt autobiographische Züge, wie alle Arbeiten Osbornes, der sich selbst wie der Held, George Dillon, als Hilfsarbeiter, kleiner Schauspieler und Journalist durchgebracht hat. So etwas haben viele versucht in unseren Tagen: dazu eine Schilderei beklemmender kleinbürgerlicher Verhältnisse, in denen ein heulendes Elend, Leere, ein Verbrauchtwerden, eine Enttäuschung und die permanente Niederlage im Alltag durch einige grelle Klischees notdürftig verdeckt werden. Wie peinliche, jammervolle Stücke wurden da über die Bühne geschleppt: 194! bis heute. Osborne aber gelingt es, durch die makabre Schilderei durchzustoßen und ein faszinierendes Stück zu gestalten. Seine Begabung besteht unter anderem darin, daß er in kühler Besessenheit, wie manche Maler unserer Tage, tausend „Kleinigkeiten” um den Kern zentriert: den Aufschrei einer jungen Generation, die eben, nach ihm, „zornige, junge Männer” genannt wird. — Für Peter Weck ist dieser junge George Dillon sichtlich nicht aufs Maß gezeichnet worden: um so beachtlicher, wie dieser Schauspieler sich bemüht, in die fremde Gestalt zu schlüpfen. Heribert Aichinger gestaltet mit großer Intensität, wie eine geballte Ladung, den verbitterteinsamen, hinterhältig-traurigen „unnützen” Familienvater der Familie, die Dillon empfängt aus der Gnade der Mutter Elliot (Erna Korhel), die den jungen Mann aufnimmt, weil er sie an ihren einzigen, im letzten Krieg gefallenen Sohn erinnert. Zwei Frauenrollen sind noch zu erwähnen: Ursula Schult als gescheiterte linke Intellektuelle, als enttäuschte Frau, und Maria Emo als dumpf und trotzig nach innen hinein rebellierendes junges Mädchen.

Franz Molnars „Panoptiku m”, sein letztes Werk, wurde 1949 im Akademietheater in großer Besetzung herausgebracht und wird jetzt in der Josefstadt wiederbelebt. Die späte Rache eines Ungarn an einem späten Oesterreich, in dem unsere Botschafter und Militärattaches perfekte Trotteln, die Aristokratinnen in Hochmut und Wahn verklemmte Damen sind, womit sich natürlich allerlei Schabernack treiben läßt: von zwei russischen Spionen, die als Kammerdiener und Architekt auf- treten — das Stück spielt in der österreichischen Botschaft in Rom um 1900 — und natürlich vom Autor selbst, der hier nicht mehr ganz den falschen Zungenschlag zu verbergen vermag, was nur einer Aufführung in allerbester Besetzung möglich wäre. — Diesen ersten Rang erreicht nur Vilma Degischer als Prinzessin. Das andere sind einigermaßen gut besetzte „Rollen”, welche die Schwäche des Stückes deutlich erkennen lassen. Ein einziger, auffallender Akzent: Otto Schenk als Fremdenführer von heute, der die Komödie als Wachsfigurenkabinett vorstellt.

„Der Zerrissene” von Johann Nestroy im Akademietheater: diese Komödie stellt eine Scljlüsselfigur österreichischer Welthaltung auf die Bühne. Zwischen Grillparzer, Raimund, Hofmannsthal und den Erben wird bald die tragische, bald die tragikomische Seite österreichischer Ge- spaltenheit behandelt. Nestroy greift robust zu: Herr von Lips, der reiche Nichtstuer und Verdrieß- ling, wird durch Sorge, Not und Arbeit auf die Lösung aller seiner Schwierigkeiten hingeführt: zur Ehe mit der Kathi, einem frischen Mädel vom Land. Joseph Meinrad und Christiane Hörbiger tragen die Neuinszenierung. Meinrad exzellent, auf seine Weise unübertrefflich, vor allem auch im Vortrag der Einlagen. Schade, daß deren textliche Auffrischung allzu schüchtern und matt versucht wurde. Die Tochter der Paula Wessely ist allerliebst anzusehen, Gestalt, Auftreten, Spiel aus einem Guß. Franz Böheim als Krautkopf ist ein Rappelkopf mit rustikalem Charme, vor dem Schlosser Gluthammer Hugo Gottschlichs kann man wirklich erschrecken. Alma Seidler als flotte Witwe führt den Reigen der Chargen an. Ein vergnüglicher Abend.

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