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Otto Nicolais Reise nach Salzburg

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Ein unscheinbar, graugrün überzogener Pappband im Besitze der Handschrifren- sammlung der österreichischen Nationalbibliothek beinhaltet das letzte Tagebuch des am 11. Mai 1849 in Berlin verstorbenen Otto Nicolai. Der Schöpfer der „Lustigen Weiber von Windsor“ hat darin seine letzten Lebensaufzeichnungen niedergelegt. Wir dürfen hier, wie bei so manchen anderen Künstlerpersönlichkeiten, froh sein, die unmittelbare schriftliche Aussage des Meisters selbst zu besitzen. Und da Nicolai als Begründer der Wiener Philharmonischen Konzerte und Dirigent jener denkwürdigen Aufführung von Beethovens IX. Symphonie am 19. März 1843, in der er die Größe dieses Werkes der Musikwelt erst recht zum Bewußtsein brachte, den Wienern und Österreichern besonders wert sein muß, so mag es auch angezeigt sein, jenem Teil des Tagebuches, das von dieser Reise handelt, einiges Augenmerk zu schenken. Georg Richard Kruse konnte für seine Nicolai-Biographie (Berlin 1911) dieses Tagebuch schon benützen, leider aber nur auszugsweise und sehr oft nicht in klar erkenntlicher Weise, was Nicolais und was sein Wortlaut ist.

Da 6ein Vertrag als „1. Kapellmeister am k. k. Hoftheater nächst dem Kärnthner- thore" 1847 ablief, hatte sich Nicolai am 21. März 1847 von den Wienern mit einem Benefizkonzert verabschiedet, in dem er einige Instrumentalnummern seiner eben im Entstehen begriffenen „Lustigen Weiber“ uraufführte. Das Konzert, in dem auch die berühmt Sängerin Jenny Lind mitwirkte, brachte ihm 1750 Gulden als finanziellen Gewinn. Mit dem künstlerisdien Erfolg war er aber durchaus nicht zufrieden und begründet dies zum Teil mit seiner damals sehr angegriffenen Gesundheit.

Am gleichen Tage dirigierte er noch den „Don Juan", er schreibt in das Tagebuch: „Die letzte Oper die ich dirigierte, svar der göttliche Don Juan, mit dem ich auch vor 6 Jahren diese Stellung antrat.“

„Ich verkaufte nun in Wien mein sämtliches Mobiliar, ausgenommen meine Noten, meine Bücher und meinen Flügel von Streicher, welche ich in Wien zur Aufbewahrung zurückließ und trat meine Erholungsreise an. Ich verließ Wien am 23 Mai und ging über Linz, wo ich Ausflüge nach dem Jesuitenkloster Freinberg und dem Kloster St. Magdalena machte, nach Gmunden am Traunsee in Oberösterreich. Die Gegend ist hier überall paradiesisch schön und die Luft in diesem hochgelegenen Ge- hirgslande rein und erfrischend. Da es jedoch immerfort schlechtes und kaltes Wetter ist, so ist bis jetzt noch jeder Genuß verleidet.“ Diesem, für das Salzkammergut bekannten Wetterstoßseufzer wird man noch öfter begegnen. Er sieht den Traunfall, verweilt in Gmunden zwei Tage, „um besseres Wetter abzuwarten", fährt mit dem Dampfschiff nach Ebensee, „und von da mit dem Stellwagen" nach Ischl. Hier nimmt er täglich ein „Soolen-Bad“ und trinkt „auch Molken, welch letzten ich aber aufgeben werde, da sie mir nicht bekommen. Das Wetter ist immerfort kalt und regnig, ich lasse einheizen und von der Hauptsache nämlich vom Genuß dieser Gebirgsluft im Freien, kann gar keine Rede sein.“

Am 3. Juni 1847 erlebt er die Hallstätter Fronleichnamsprozession und schreibt darüber: „Ischl, den 4 Juni. Gestern, als am Frohnleichnamstage eine Parthie nach Hallstadt gemacht. Der Hallstädter See hat einen anderen Charakter, als der Traunsee; er ist ernsthafter. Diese Gegenden sind die schönsten, die ich bis jetzt in Deutschland gesehen habe. Von Hallstadt aus einen Spatziergang gemacht nach dem Waldbachstrub (d. h. Fall) und dem Schleierstrub,

welche sich in das selbe Becken von verschiedenen Felsen herab ergießen. Die Hallstädter Salinen-Arbeiter machen an diesem Tage eine Prozession auf dem See in geschmückten Boten, mit Musik. Der Anblick ist poetisch und rührend; er hat mir sehr gefallen.“

Tags vorher hatte er unter fachkundiger Führung in Ischl die Salzgewinnung besichtigt. Das Verfahren ist ein „sehr einfaches und macht sich fast von selbst“.

Da ihn seine Kur und das Wetter nicht befriedigt, reist er weiter, und die nächste Eintragung lautet: „Salzburg am 9 Juni 1847. Heute ist mein 37ter Geburtstag. Ich danke Gott für alle Gnade und für die Aussicht auf Wiedererlangung meiner Gesundheit, da ich mich doch auf dem Wege der Besserung befinde. Da das Wetter in Ischl immer kalt und regnig war, und ich demnach von der schönen Natur wenig profi- tiren konnte, so entschloß ich mich (wie es auch bei meiner Abreise aus Wien gleich meine Absicht gewesen war) nach Salzburg zu reisen und die wärmere Zeit lieber hier abzuwarten, wo ich doch einige musikalische Resourcen haben würde. .Am Sonntag den 6 machte ich die Reise hieher. Die Gegend ist überall paradiesisch.“ Trotzdem muß er diesem Lobspruch die Klage anschließen: „Auch diese schöne Fahrt wurde mir durch regnigtes und kaltes Wetter verleidet, welches hier in den Bergen zu Hause zu sein scheint.“

In Salzburg besucht er gleich am ersten Tag den Sekretär des Mozarteums, Doktor Hilleprandt. Das Tagebuch berichtet weiter: „Da ich ihm sagte ich würde einige Zeit verweilen, so wurden gleich musicalische Unternehmungen veranstaltet. Das Mozarteum ist ein kleines Conservatorium, mit freilich noch geringen Mitteln, aber ein sehr achtbares Unternehmen. Am nächsten Sonntag, den 13 wird meine Messe in der Domkirche aufgeführt werden. Gestern abend madite ich dann im Hause des Herrn v. Hilleprandt bereits eine Sing-Probe mit den Sängern des Mozarteums. Gestern war seit lange der einzige schöne Tag; ich besuchte in Begleitung des Herrn Stummer (Orchesterdirektor) den Mönchsberg, und dann späther zum Mittag den Lustort Leopoldskron. Heute ist schon wieder trübes Wetter. In der Bibliothek des Mozarteums steht auch Mozarts Klavier; es ist ein Spinett, worauf er den Don Juan, das Requiem und einige andere seiner unsterblichen Werke componirte. Ich sah es vorgestern, den 7 , und spielte darauf.“

Er wurde durch Hilleprandt dem Kardinal Fürst Schwarzenberg vorgestellt und von diesem zur Tafel geladen. Den Tag nach der Aufführung seiner Messe, „über die man mir sehr viel Schönes sagte“, hatte Nicolai das Glück, zwei sonnige Tage zu erleben. Er benutzte sie zu Ausflügen nach Reichenhall, der Kugelmühle, Anif, nach Berchtesgaden und dem Königssee. Als Begleiter nennt das Tagebuch für den ersten Tag Stummer und Zeller, Geiger des Mozarteums, für den zweiten Dr. Hilleprandt und einen Oberingenieur Fillunger, „der jetzt diese Gegend bereist um die Straßen für die Eisenbahn von Wien nach Baiern zu bestimmen". Dann folgt die Klage: „Heute Abend zeigt sich beim Nachhausegehen schon wieder Regen und somit wird die Freude mit diesen zwei Tagen wohl schon wieder ein Ende haben.“

Kleine Ausflüge nach Aigen, dem Nonn- berg, und Gurgi beschließen den Salzburger Aufenthalt. „Am 18 früh reiste ich nach Hallein und besuchte das Salzbergwerk im Dürrenberge, welches sehr interessant zu sehn ist. Die Fahrt in einer Gondel auf einer halbabgelassenen Soolenkammer welche der See genannt und ringsum beleuchtet wird; die öftern Rutschparthien in tieferliegende Schachten, und die große Tiefe, in der man sich unter der Erde befindet, sind besonders zu bemerken." Von Golling, den Salzachöfen und dem Paß Lueg ging es über Salzburg nach Ischl zurück, wo Nicolai am 20. Juni ankam.

„Das schlechte Wetter, Regen und Kälte dauerten, als ich nach Ischl wieder ankam, immer fort und ich fühlte mich von Tage zu Tage unwohler." Die meiste Zeit bringt er bei den ihm von Wien her bekannten Damen Josephine v. Wertheimstein und Henriette Todesco zu, „da von Ausflügen garnicht die Rede sein konnte“. In Baden bei Wien, wo Nicolai diese Zeilen am 16. Juli 1847 schrieb, suchte er durch Bäder Linderung seiner Krankheit, „jedoch ohne einen Erfolg".

Die weiteren Schicksale Nicolais erfüllten sieh in Ungarn und Deutschland. Seine letzten österreichischen Erlebnisse dagegen spiegeln sich in diesem kleinen Reisebericht, der, anspruchslos und bescheiden, trotzdem geeignet ist, die Lebensspur eines bedeutenden Meisters der Musik in unserer Heimat zu verfolgen. Dadurch wird zwar nicht sein Werk, wohl aber sein Menschentum ins Licht gerückt, denn auch dieses hat ein Recht, beachtet zu werden.

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