Perlen vor die Schweine

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Es ist eine alte Reminiszenz aus vergangenen Gymnasialzeiten. Wir wollten unsere Deutsch-Professorin ärgern, und dazu war uns jedes Mittel recht.

Nicht, daß sie uns unsympathisch gewesen wäre. Es war nur der latente Wunsch, es jemandem, der uns viele Stunden hindurch gequält hatte, indem er uns Goethes Lebenslauf in der langweiligsten Form, derer er habhaft werden konnte, nicht nur vorkaute, sondern ihn hintennach von uns wiederzugeben verlangte, heimzuzahlen. Und so kamen wir auf "nichtsdestotrotz". Ach nein, es war nicht einmal unsere Erfindung. Irgendwo hatte einer von uns das blöde Wort gehört, wir wußten, wie genau es die Professorin mit der Sprache, die sie zu unterrichten hatte, nahm, und so warfen wir ihr das Ungetüm in einem Aufsatz zum Fraß vor.

Prompt ärgerte sie sich, und nichts anderes hatten wir erwartet und erhofft. Ihre langatmige Erklärung, daß es "nichtsdestoweniger" heißen müsse und daß die Verballhornung zwischen diesem Wort und dem Wort "trotzdem", die beide an gegebener Stelle auswechselbar verwendbar wären, unzulässig sei, war uns im vornhinein klar. So dumm waren wir nicht, als daß wir das nicht gewußt hätten. Vielmehr ging es uns ja genau darum.

Nun sind ja Gymnasialspäße bekanntlich, selbst wenn an deren Ende eine sogenannte Reifeprüfung steht, nicht dazu angetan, im weiteren Leben perpetuiert zu werden. Ihre Intelligenz gemahnt an Scherze, die von Maturanten bei der Maturafeier praktiziert werden und an das Niveau des sattsam bekannten Schauspiels "Die letzten drei Griechen", phonetisch verwechselt mit "Die letzten Drei kriechen" heranreichen.

Darum sieht man mich in letzter Zeit erstaunt. Der Österreichische Rundfunk, vertreten durch zahlreiche Sprecher, Moderatoren und Reporter, propagiert nämlich seit Monaten intensiv das Unwort "nichtsdestotrotz". Und zwar allen Ernstes.

Hier jedoch erscheint mir die mitunter recht fließende Grenze zwischen Spaß und Blödsinn eindeutig überschritten zu sein. Habe ich mich schon daran gewöhnt, von diversen stotternden Nachrichtenlesern mitgeteilt zu bekommen, daß "hier der Österreichische Rundfung" sei, nehme ich schon zur Kenntnis, daß sich Ansager mit dem glücklichen Seufzer "Ich darf - statt ich muß - mich verabschieden" verabschieden, ist mir auch schon die Zeitenfolge, die mir von der eingangs erwähnten Deutschprofessorin einleuchtend eingebleut worden ist, auf Grund der Redakteurssprache der ORF-Nachrichtenverfasser wurscht, so protestiere ich doch noch gegen "nichtsdestotrotz". Denkt doch nach, Ihr Manuskriptschreiber und Sprecher, schaut doch nach im Duden oder, sei's drum, auch nur im Österreichischen Wörterbuch, das Wort gibt's einfach nicht. Es ist ein Gymnasiastenscherz.

Aber ach. Es hat sich ja auch der "große Bahnhof" durchgesetzt, das "Vieraugengespräch" ist im Vormarsch, und über "das" Monat und "den" Benzin regt sich kein Schwein mehr auf.

Apropos Schweine. Die Perlen, die man vor sie wirft, werden, wie mich (oder mir) dünkt, immer rarer. Oder aber, auch das ist eine Möglichkeit, es werden der Säue immer mehr.

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