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Schwaches, schwankendes Theater

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Dem Haushalt und Spielplan der Wiener Theater fehlt es an jedweder äußeren und inneren Ökonomie. Man weiß nicht, woher die Einnahmen kommen sollen und ist sorglos in den Ausgaben: auch in den geistigen. Nur so wird es verständlich, daß das Burgtheater gegenwärtig den Ehrgeiz hat, zwei Stücke neu zu kreieren, die vor kurzem von einem anderen Wiener Theater, von der Insel, sehr seins- und werkgerecht herausgebracht wurden. Ohne Weltstars in den, Hauptrollen und doch geschlossener, milieurichtiger, und auch gefügiger dem Geist des Dichters. Ibsens „John Gabriel Bork-m a n“ also nun im Akademietheater. Winterabend auf dem Familiengut der Rentheim. Borkman, der verkrachte Bankdirektor, der Herrscher mit dem eisernen Herzen, stirbt ruh- und reulos in den Eisbergen seiner Schuld. Gunhild, seine Frau, und Erhard, sein Sohn, sind von seinem Geschlecht: beinharte Egoisten, die nur sich selbst, ihre Wünsche und Gelüste sehen und kennen. Der späte Ibsen blickt illusionslos auf die Tragödie der spätbürgerlichen Gesellschaft. Das Menschliche, das Bunte des Lebens, die Zärtlichkeit der Kreatürlichen findet sich nur in der Randzone dieser unseligen Sphäre: bei Ella Rentheim, der einst von Borkman Geopferten, bei Foldal, dem Hilfsschreiber. — Was macht nun Felsenstein, der Regisseur, aus diesem Stüde? Er putscht und peitscht drei Große unserer Bühne, Werner Krauß, Käthe Dorsch und Helene Thimig, zu pathetisch überspannten und überspitzten Einzelleistungen auf. Sartre auf hohem Kothurn. Da schreien und wüten sie nun in ihren heroisdien Masken, Zerrbilder ihrer selbst, ihrer Begabung und auch ihrer Routine. Schuld des Regisseurs: dieser ist der Versuchung erlegen, Ibsens Gestalten mit den Scheinwerfern des lemurischen Reiches zu beleuchten. Gespenstische Schatten.

Gerhart Hauptmanns „Biberpelz“ in der Burg. Weg mit der Armen-luft, mit dem Geruch der Armut, Not und Schande, mit all der Zwittrigkeit dieses Arme-Leut-Milieus! Fort mit der inneren Tragik, mit dem feinen Schmelz, mit dem dieses große deutsche Schelmenstück sein Dichter umgibt. Hier wird brillant, Komödie gespielt, gekonnt bis in die letzten Scharnieren. Als Ganzes läßt die Aufführung kalt, ja steht in der Versuchung der Langeweile. Theo Längen muß das gespürt haben, er legt in seinem Wehrhahn ein Kabinettstück hin, das sich sehen lassen kann. Frau Eis, nicht eine vom Leben zerschundene Proletin, sondern eine Meisterin des Intellekts, eine Herrscherin, überwindet siegreich das Hauptmannsche Milieu.

Die Insel, die Insel „Borkmans“ und des „Biberpelz“, auf deren Programm noch Strind-bergs „Ostern“ steht, spielt „Die unsterbliche Kanzlei“, eine „Posse“ von Julius Bittner. Diese Pseudosatire vom Oberstromgott Danubius, seinen Amouren mit der Teufelin Lilith, Querelen mit Höllen-und Himmelsbürokraten, Nord- und Südwinden, mahnt an jene Praterbuden um die Grottenbahn, deren Buntpapierzauber wohl auch in diesem Frühling wieder aus den Mottenkisten ersteht.

Das „Theater der Courage“ bringt die sehr anspruchsvolle Farce „Die chinesische Mauer' des sehr modischen Schweizer Dramatikers Max Frisch. 1945, auch 1946 wäre diese mit Sentenzen beladene Revue, die Pilatus und die Unbekannte aus der Seine, Philipp II. von Spanien, Brutus, Columbus und eine Reihe anderer historischer Masken in einem Totentanz um die chinesische Mauer zusammenführt, erträglich gewesen. Philosophische und politische Maximen und Platitüden reiten in diesem metaphysisch-phantastischen Oberkabarett das Spiel zugrund. Schade, dieser Fehlgriff auf dieser kleinen, wackeren Bühne.

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