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Sender und Hörer

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Um mit 'der Zeit und ihren Festen zu gehen, hatten sich die österreichischen Sender so ausgiebig mit weihnachtlichen Hörspielen eingedeckt, daß die Aufarbeitung dieses umfangreichen Programms bis in die Jännermitte herüberreicht, ohne daß dabei viel Erfreuliches herausgekommen wäre. Vor allem konnten wiederum nur wenige der häufigen Versuche befriedigen, das Weihnachtswunder in symbolhafte Beziehung zu setzen mit Vorgängen, die in unserer Gegenwart handeln, so etwa, wenn in einem dieser neuen Hörspiele am Heiligen Abend eine polnische Flüchtlingsfrau ihr Kind im bitterkalten Transportwaggon zur Welt bringen muß, weil die hartherzige Gattin des Vorstandes jener österreichischen Bahnstation, in der just dieser Waggon abgekuppelt wird, der jungen Mutter die Unterkunft verweigert (vergebliche „Herbergssuche“ also wieder, denn die Menschen sind immer noch nicht gütiger geworden). — Die peinlichste Uber-raschung aber bot uns der Sender Klagenfurt mit dem Hörspiel „Das Weihnachtsgeschenk“, darin am Heiligen Abend einem Jungverheirateten Paar ein neugeborenes Kind vor die Türe gelegt wird und solcherart den Mann in argen Verdacht bringt, bis eine Aufklärung von kaum faßbarer Albernheit den gestörten Ehefrieden unterm ersten Weihnachtsbaum glücklich wieder herstellt. — Wenn auch die aus Innsbruck gesendete „W interlegende“ von Paul Busson freilich unvergleichbar höher zu werten ist, so kann doch die etwas rührselige Umständlichkeit der Geschichte von der plötzlichen Genesung des kranken Knaben und der überraschenden Heimkehr des langverschollenen Vaters mit der Weihe der Christnacht nur in dürftigen Einklang gebracht werden. — Dem Studio der Jugend der Sendergruppe Alpenland war das Verdienst vorbehalten, seinen Hörern die Bekanntschaft mit Max Mells „W iener Kripper 1“ zu erneuern. Unmittelbar nach dem ersten Weltkrieg entstanden, spiegelt diese kristallklare Dichtung die ganze seelische Not der Großstadtmenschen jener Tage wider und weist ihnen in einer Vision von herzbezwingender Kühnheit den Weg zur Krippe von Bethlehem. Wohltuend unterschieden sich von dem nichtssagenden Geschwätz, mit dem „literarische Sendungen“ nur allzu häufig einbegleitet werden, die gehaltvollen Sätze, die der Dichter Franz Nabl dem „Wiener Kripperl“ seines steirischen Landsmannes voraussendete.

Eine wahrhaft dichterische Eingebung war es, der das vom Studio Dornbirn gesendete Legendenspiel „A r t a b a n“ sein Entstehen verdankt. Es strebt keine unmittelbare Beziehung zur Gegenwart an, die Gültigkeit seines Gleichnisses ist zeitlos: Wir alle sind Wanderer und Sucher nach einem Ziel, und bisweilen sind wir ihm schon nahegekommen, indessen wir uns von ihm entfernt zu haben meinen, die Kraft unserer Sehnsucht hat uns ttun entgegengeführt. Niemals gab es diesen Artaban, nirgends meldet uns die Schrift seinen Namen. Aber ein Poet erträumte sein Schicksal. Drei weise Könige aus dem Morgenlande beugten im Stall zu Bethlehem ihr Knie, doch noch ein Vierter, Artaban mit Namen, hätte an ihrem Glück teilgenommen, wäre auch er rechtzeitig am vereinbarten Orte ihrer Zusammenkunft eingetroffen, wäre er nicht einsam in der Wüste zurückgeblieben, verschmachtend fast vor Siechtum und Durst. Drei Jahrzehnte lang irrt er dann allein durch die Länder, immer getrieben von der Sehnsucht nach dem verheißenen Messias, hinopfernd alle die kostbaren Geschenke in Taten der Barmherzigkeit, bis endlich in Jerusalem die Erscheinung des eben auf Golgatha Gekreuzigten den Sterbenden in die Arme schließt: Du bist am Ziele, Artaban! — Namentlich für Sendungen an bestimmten kirchlichen Festen könnte dieses schöne Legendenspiel des Klo-sterneuburger Chorherrn Dr. V.. O. Ludwig unseren Hörspieldichtern zum wertvollen Vorbild dienen.

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