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„Tristan“ und „Der Mond“

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In der Staatsoper hat Herbert von Karajan Wagners „Tristan und Isolde“ inszeniert und dirigiert. Für diese Neuinszenierung, die der Beitrag der Staatsoper zu den Wiener Festwochen ist, hat Emil Preetorius Bühnenbilder geschaffen, die zum Besten gehören, was wir von seiner Hand kennen. Gleich das zum 1. Akt ist einfach, wuchtig und dekorativ: Man sieht nur den Vorderteil eines Gigantenschiffes mit mächtig bis über die halbe Bühnenhöhe aufragendem Bug. Den Eindruck des „Innenraumes“ schaffen drei riesige Segelsegmente. Noch mehr stilisiert und mit Lichtwirkungen ausgestattet präsentiert sich der 2. Akt, im 3. ist das bürgerliche Ruhelager unter der Linde durch eine Felsplatte ersetzt, die nicht von Burgmauern, sondern von hochragenden, nackten Felswänden flankiert wird. In den Hauptrollen: Wolfgang Windgassen, Birgit Nilsson, Hilde Rössel-Majdan, Otto Wiener und Gottlob F r i c k : ein glänzendes Ensemble, das freilich den Orchesterstürmen nicht immer ganz gewachsen war, die Karajan entfesselte. Lediglich Birgit Nilsson dominierte fast mühelos: mit einer der größten, stärksten, schönsten und intaktesten Stimmen, die heute auf der Opernbühne zu hören sind. Das Orchester unter Karajans Leitung spielte intensiv, klangschön und mit einem Maximum an Präzision.

— Kleine regieliche Unstimmigkeiten ergaben sich durch die weitgehende Stilisierung. Als wenig glücklich empfinden wir das wiederholte Auftauchen (und Verschwinden) Kurvenais aus einer Bodenluke, das Abschleppen von Isoldes Ruhelager durch einige Seeleute, das Heraus- und Hereintragen des Schreines mit den unheilvollen Tränken (die eine geistesgegenwärtige Brangäne ja schließlich in Abwesenheit des gereizten Liebespaares durch einen beruhigenden Baldriantee hätte ersetzen können) und einiges andere mehr... Aber das sind letzten Endes Kleinig1 'iten, die den Eindruck einer bedeutenden, wohlstudierten und festlichen Aufführung kaum herabzumindern vermögen.

Der Beitrag der V o 1 k s o p e r zu den Festwochen ist die Wiener Erstaufführung von Carl O r f f s kleinem Welttheater „Der Mond" und eine’ Neuinszenierung von Puccinis Einakter „Gianni Schic chi“. Orff hat sich seinen Text nach einem Grimmschen Märchen selbst geschrieben.

Es ist die Geschichte vom gestohlenen Mond, der mit seinen Dieben und Betreuern unter die Erde, zu den Toten, gerät und dort durch sein Licht die Entschlafenen zu neuem Luderleben erweckt, bis „ein alter Mann, der Petrus heißt“, die Ruhe wiederherstellt, die erwachten Toten einschläfert und den Mond wieder an seinen alten Platz bringt. Das ist im Märchen ganz hübsch, aber auf die Bühne gebracht, erweist es sich als ein recht grober baju- warischer Spaß, eine derbe „Gaudi“, die von Orff in seiner bekannten Manier, mit Songs und Couplets, Schlagermelodien und Schlagwerkrhythmen, in Musik gesetzt ist.

Das Poetischeste an der Aufführung ist das Bühnenbild von Walter H o e s s 1 i n, dem auch die leicht altdeutsch stilisierten Kostüme von Reni Löhner angepaßt wurden. Otto Fritz als Re' gisseur und Miltiades C a r i d i s am Pult mildern gleichfalls, so viel wie sie können, indem sie die lyrisch-romantischen "Elemente hervorkehren. Aber Tote, die „auf umgestürzten Särgen Karten spielen“, wie es die Regieanweisung Orffs vorschreibt, die gröhlen, saufen und Kegel schieben — das ist nicht nach jedermanns Geschmack.

Weniger kraß, dafür rhythmisch perfekter, im Gesamteindruck intensiver und erfreulicher, wirkt eine vom Komponisten autorisierte Aufnahme dieser Spieloper bei Columbia, auf zwei Langspielplatten (COL 33 MCX 514/515). Das Philharmonia- Orchester, London, und ein Ensemble erstklassiger Solisten wird von Wolfgang Sawallisch dirigiert, der ja auch in Wien als Orff-Interpret („Carmina Burana") Aufsehen erregt hat.

„Gianni Schicchi", von denselben Künstlern szenisch betreut, wird von Argeo Q u a d r i dirigiert. Auch dies — ein makabrer Scherz, dem man das Peinliche nur durch Stilisierung und größtmögliche Leichtigkeit im Spiel, Gesang und Orchester nehmen könnte. Von dem guten Dutzend Mitwirkender (im „Mond“ sind es wohl an die hundertI) sei wenigstens Erich Kunz in einer Paraderolle genannt. Freundlicher, langanhaltender Beifall für alle Beteiligten.

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