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Vier Audienzen

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Die Gattin eines am Quirinal akkreditierten Botschafters war katholisch geworden und erbat eine Privataudienz bei Papst Pius XII. Der französischen Sprache nur zu mächtig, überdies von Natur aus redselig, begann sie, kaum eingetreten, dem Papst in ekstatischen Worten die Größe, die Tiefe, die Schönheit des Katholizismus zu schildern. Eine sekundenlange Atempause benützte der Heilige Vater, um ihr lächelnd zu sagen: Mais, Madame, moi aussi je suis catholique — „ ... ich bin ja auch katholisch.“

Als Eugenio Pacelli schon Pius XII. hieß, kam Graf Konrad P r e y s i n g, längst schon Bischof von Berlin, nach mehrjähriger Trennung von dem ihm so befreundeten einstigen Münchner Nuntius nach Rom. Er wurde vom Papst zunächst mit zwei anderen Bischöfen empfangen und benahm sich, so erzählte er später, wie es der Gelegenheit entsprach: ernst und würdig. Hernach wurde er noch einmal allein empfangen und konnte sich nicht enthalten, sofort einen heiteren Ausspruch wiederzugeben, den er soeben in der Anticamera vernommen hatte. Der Papst lachte: „Jetzt sind Sie wieder der alte! Ich war ja schon ganz entsetzt über Ihren tiefen Ernst.“

In München pflegte der Nuntius gern den geselligen Verkehr mit seinen diplomatischen Kollegen. So wurde er auch gelegentlich vom damaligen französischen Gesandten Grafen d’O r m e s s o n dem Bruder des sehr bekannt gewordenen Publizisten Vladimir d’Ormesson zum Abendessen im Familienkreis eingeladen. Als er wieder einmal dort erschien, fand er den siebenjährigen Sohn des Hauses sehr eifervoll damit beschäftigt, Diabolo zu spielen. Eben schnellte der Kreisel hoch empor, da wandte der Kleine sekundenlang den Blick zur Eingangstür, rief: Bon- soir, mon vieux! etwa: „Guten Abend, alter Freund!“ und fing schon in der nächsten Sekunde den fallenden Kreisel geschickt wieder auf. Lachend kam der Nuntius zum Gesandtenpaar und erfuhr nun, daß Graf d’Ormesson alte Freunde, die ihn besuchten, so zu begrüßen pflegte. Der Sohn hatte es dem Vater nachgetan, weil er meinte, es gehöre sich so. Zwanzig Jahre später erschien das Ehepaar in Privataudienz bei Pius XII. Nach der ersteh Begrüßung fragte der Papst: „Wie geht es Ihrem Sohn? Sagt er immer noch ,mon vieux?“

Die heiterste der Geschichten betrifft eine junge Wienerin. Sie hatte es sich in den Kopf gesetzt, nach Italien zu reisen. Aber man schrieb das Jahr 1947, und alles war noch so schwierig, am schwierigsten die Geldfrage. Vielen Warnungen zum Trotz fuhr sie los, mit Mut und sehr wenig Geld, aber auf alle Fälle entschlossen, so lange wie nur möglich in Italien zu bleiben und so viel wie nur möglich von Italien zu sehen. Einige Empfehlungen kamen ihr zu Hilfe, und so konnte sie sich gelegentlich in Rom satt essen. Ansonsten kochte sie in dem kahlen Zimmer, das sie in einem Nonnenkloster sehr billig gemietet hatte, auf dem streng verbotenen elektrischen Kocher einen kleinen Fisch und aß Orangen, beides wohlfeil auf dem Markt gekauft. Ihre Wünsche hatten etliche Ziele. Ein sehr wichtiges hieß: die vatikanischen Sammlungen. Aber die Eintrittskarte war teuer, nicht zu erschwingen. Sie hätte das ganze armselige Budget zum Wanken gebracht. Was tun? Als sie eines Tages die Mitteilung erhielt, sie dürfe an der nächsten allgemeinen Papstaudienz teilnehmen, kam ihr ein Gedanke: der Heilige Vater muß helfen. Und als er sie nun wirklich fragte, ob sie einen besonderen Wunsch hätte, bat sie um die Freikarte. Der Papst stutzte einen kurzen Augenblick. Die Gesichter der Monsignori, seines Gefolges, erstarrten in Entrüstung. Aber schon in der nächsten Sekunde hatte der Papst die Sachlage erfaßt. Er lächelte gütig und nickte Gewährung. Allsogleich erhellten sich die Gesichter der umgebenden Monsignori, und als das junge Mädchen den Saal verließ, wartete an der Tür bereits ein Kämmerling, um ihr die Dauerfreikarte zu überreichen.

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