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VON NEUEN BÜCHERN

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Stallngrad. Roman von Theodor P 11 11 • r. Globus-Verlag, Wien. — Sie waren 17 Jmbre.

(Kaukasus — Kubanbrückenkopf 1943.) Von Leopold Hnld#k. Wiener Verlag.

Auf dem Grunde eines jeden Budies vom Krieg, den wir Heutigen, geschlagen durch zwei beispiellose Katastrophen des Jahrhunderts, nidit mehr als bloßen kausalen Gesdiiditsablauf, sondern in zunehmendem Maße als moralische Krise empfinden, ruht die Frage nadi der Sdiuld. Pli viers „Stalingrad“ das bisher stärkste Buch vom Krieg, sieht die Ursache der Katastrophe im Mechanismus der deutschen Entpersönlichung und die Schuld des einzelnen wie der Masse in dem jeweiligen Ausmaß, in dem sidi die gebeugte Seele dem verhängnisvollen Aufruf fügte. Mit dämonischer Folgcriditigkeit wächst aus dieser Schuld, aus dem gehorsamen Siegeszug durch das russische Land bis an den Wellenbrecher Stalingrad, der Untergang der Dreihunderttausend, der 6. Armee des Feldniarsdialls Paulus. Diese Schuld reidit von der untersten Mannschaft, die, am F.nde nur mehr ein Häuflein Jammer, noch in den letzten Ruinen der Festung gruppenweise, ohne Führung und Richtung, ohne mehr die nädisten Vorgesetzten zu kennen, kämpfe und stirbt, weil es der Befehl so will, über die kleinen Truppenfiihrer bis Zu den Kommandeuren und Stäben. F.s ist der dramatische Höhepunkt des Buches, wie in einem spukhaften hohen Rat der letzten Generale der Funke aufspringt, die Frage „Wofür?“, „Wozu nodi?“ eine Stunde lang wie Elmsfeuer um die greisen Häupter knistert — und wieder zum Fatalismus des Befehls, des unseligen, mißverstandenen „rhemasi peithomenoi“, „... wie das Gesetz, es befahl“, verasdit. Wie ein kreisender Wirbel zieht es alle in die Tiefe. Alle. Audi der schemenhafte „OB“, der Oberbefehlshaber und Fcldmarsdiall, steht im Banne dieses Paroxysmal

..Und hier ergab sich seine besondere Aufgabe: das Debakel In Glanz und die Niederlage In Bieg zu verwandeln und das Unmögliche dennoch und wenn nicht im Realen und für dieses Mal, so Im Irrealen und als Vorstufe für ein nächstes Mal r.u erreichen ... Es war der unmittelbare Auttrug Jener Idee . . die Im ersten Weltkrieg unterlegen war. die auch IM zweiten Weltkrieg verlleren würde (so war die I.ageelnschittzung des untergehenden Feldmarschulisl. die aber den dritten Weltkrieg (so weit reichten die Spekulationen de Feldmarschalls) gewinnen sollte... Da stand der FeUlmarsehall: mit beiden Beinen in einem riesigen Grab um! schon ein künftiges, noch größeres und vülkerweltes Grab vorausi' hend.“

Mit diesen lapidaren Sätzen rückt die „Legende Paulus“ in ein völlig neues Licht. Plivier, der sich in den Wandelgängen der Stäbe ebenso bewandert zeigt wie im Splitterschutzlodi des

Gefreiten und seine persönlichen Wahrnehmungen und seine erstaunlich guten, offenbar von besonderer Seite inspirierten Informationen durch offene Truppenbezeichnungen und die volle Preisgabe der Namen der Führer und Unterführer stützt, darf auch in dieser überraschenden Retousdiierung eines viclumstrittenen Portrats einen hohen Grad von Glaubwürdigkeit bean-sprudien. Und doch ist der Feldmarschall nicht die zentrale Figur des Dramas. Ein anderes Personenpaar ist der psydiologische Fixierpunkt, 7.U-gleidi der positive Ideenträger und dichterisch* Gipfel des Dramas. Wie zwei Todesenge! mit den Flamnrensdiwertern des Gewissens gehen diese zwei ins Dunkel: Oberst Vilshofen, ehemals Geheimdiplom, dann Kommandeur eines ruhmbedeckten Panzerregiments, später Kampf-gruppenführcr und zuletzt Schweiger, Skeptiker. Mahner, Aufrüttler; und sein Freund Uffz. Gnotke, gebrandmarkt in einer Strafkompanie, aber ein früh Erkennender und unentwegt Helfender, Liebender, Hoffender. Mit ihrem Weg über die Gefangensdiaft in ein neues Leben, mit der „Fußspur von zwei nebeneinander schreitenden Männern“ im blutgetränkten Sdince der Steppe schließt das aufwühlende Buch. Es läßt manche Frage offen, und aus seiner Blickrichtung von weit links her ergibt sich bei aller Loyalität gegenüber dem diristlidien Geiste (die sich in zwei vorbildlidi gesdiildcrten Geistlichen ausdrückt) mandic Einseitigkeit und schroffe Ste! hing zu den letzten Dingen. Trotzdem: diese:, BudP ist mehr als eine atembeklemmende Reportage. F.s sudu nach einem Sinn “hinter dem „sinnlosen“ Geschehen. Es hat ein Weltbild.

Dieses Weltbild fehlt begreiflich der Talent probe des jungen Leopold Hnidek „Sit irtn 17 fahre“. Sie wagt sich, zeitlich unmittelbar an das Drama von Stalingrad anschließend, an das Schicksal einer Gruppe blutjunger Wiener, die aus dem Rcidisarbcitsdienst in die Tode;-tnühle der riesenhaften Absetzbewegungen im Kaukasus und am Kuban geraten und von ihr zerrieben werden. Es reichte zu einer korrek ten, flüssigen Wiedergabe des Erlebten. Die Frage nadi dem Sinn und Widersinn des Geschehens wurde wohl, sofern nicht einige das Mondschein-intermezzo mit der Geliebten im fremden Land dazu rechnen wollen, von der Wucht der jugendlichen Eindrücke erdrückt.

Pli viers Buch ist der Erlebnisbericht eines gut informierten Politikers, Soldaten und Soziologen, Hnideks Büdilein der Aufschrei eines jungen Patrioten. Wie weit ist es noch bis zum gültigen Weg des Dichters? y-, u i B Dr. Roman H c r 1 e

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