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Gegen die Sinnentleerung
Nach seinen 20 Büchern zeigt Alois Vogel auch in diesem, sei--L l nem vorläufig letzten Lyrikband, eindringlicher noch als je zuvor, was man schon immer gewußt hat: Er stellt dar, was ihn zuinnerst beschäftigt, vorurteilslos und voller Leidenschaft, und das Dichten ist ihm Berufung.
Hier geht es zunächst um die dreißiger Jahre, um die Zeit seiner Jugend mit ihren Gegensätzen, des Unrechts durch Gewalt und der Sehnsucht nach Frieden und Gerechtigkeit. Wenn im ersten Teil von einem „austriakischen Bingelspiel” die Bede ist, entstammt der Ausdruck zwar einem frühmittelalterlichen Brauch im Kreis galoppierender Bei-ter, mit ihren Lanzen an einem Pfahl befestigte Binge zu durchstechen. Doch was sich hier ereignet, ist wahrlich kein Brauch mehr, sondern sträflicher I .eichtsinn, ja schlechthin Verbrechen und eine Gefahr, der der Österreicher, wie jeder Mensch, immer schon ausgesetzt war und es immer noch ist.
Aus den Geschehnissen, an die der Dichter erinnert, ergibt sich dann eine Reihe von „Fragen”, die nicht nur die ältere Generation, sondern auch und vor allem jene angehen, die der „Gnade der späten Geburt” teilhaftig wurden, nach dem Woher nämlich und dem Wohin, dem Warum und dem Wie-lange-Noch. Da sehen wir Bilder, die in ihrer reifen Kunst die Weisheit des Fünfundsiebzigjährigen und seine Sorge um das Schicksal der Welt erkennbar machen.
Im zweiten Teil des Buches, dessen Tuschzeichnungen eine pflanzen-, ja geradezu rindenhafte Phantasie Alois Vogels verraten, richtet sich dessen durch Marc Aurel gelenkter Blick auf die Bückkehr alles Vergänglichen in den Urstoff und in die Urvernunft des Ganzen.
Was immer auf Erden geschieht, gelangt allerdings nach einer herrlichen Blütezeit und „weiten Abenden” keineswegs in das „Gelobte Land”, in die Ewigkeit also, sondern in „das schwarze Loch/aus dem alles gekommen” und schließlich in „Das donnernde Schweigen/eines neuen alten Sterns”. Einmal aber, heißt es am Ende, so quasi zum Trost, deutlich auch im Hinweis auf den biblischen Jonas, „einmal werden die Teile/von dieser und jener Wahrheit/zu einer ganzen sich fügen/und die Vielen die lachend/auf Schriftzeichen wiesen/ und überheblich mit Sicherheit/immer neue beschworen/werden sprachlos erstarren/da sie mit dem Zerbrechen der Worte/mit ihrer Sinnentleerung die Werte/die das Leben zu erhalten vermochten/zerstör-ten”. Und immer wieder muß es sein, daß einer, ein Dichter nämlich oder Prophet, „es ihnen sage”.
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