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Liebe auf irisch
LIEBESGESCHICHTEN AUS IRLAND, herausgegeben und übersetzt von Elisabeth S chnac k. Diogenes-Verlag, Zürich, 480 Seiten. Sfr. 12.80.
Was sich die Menschen unter „Liebe“ alles vorstellen oder: stellen sie sich sich darunter überhaupt etwas vor?
So könnte man nach der Lektüre dieser Kurzgeschichten reagieren, wobei man sich sofort den Vorwurf machen müßte, oberflächlich gedacht zu haben. Entweder die Irländer schreiben keine Liebesgeschichten im herkömmlichen Sinne mehr, und das ist durchaus möglich: wer in aller Welt tut das noch? Oder die Herausgeberin wollte sagen: „Sehen Sie, auch das ist eine Liebesgeschichte!“ Aber wie sagte schon Shakespeare:
„What’s in a name?“ Und von irländischen Schriftstellern erwartet man sich spezielle Eigenschaften: eine gewisse Musikalität der Sprache, jener ähnlich, die Synge in seinem Stück „The Playboy of the Western World“ auf die Bühnen brachte, ähnlich auch der Sprache der rumänischen Bauern und Dichter, die mit Bildern und Gleichnissen durchtränkt ist.
Nun werden wir aber mit der köstlichen Julia O’Faolain konfrontiert, die sich über sich selbst und ihr Volk entrüstet: „Ich rede sehr viel, genau wie meine Freundinnen Was unser Gerede so deprimierend macht: daß es nicht von Erlebnissen handelt. Bloß vom Gerede. Die Iren sollen ja immer so gewesen sein: seit dem sechsten Jahrhundert sind sie schnattersüchtig Schafe im
Affenkostüm, die den ganzen Tag zynisch in Kneipen herumschwatzen und die wohlklingende Widerspenstigkeit eines Brendan Behan nachäffen Das kollektive Gedächtnis flattert wie eine nasse, sehnsüchtige Fahne an unserem Himmel.“
Da haben wir es also. „Liebes“- geschichten will oder kann uns dieses vom Schicksal wie von den Briten wie von ihren eigenen Priestern erdrückte Volk nicht geben, und von ihrer eigenen Redseligkeit fühlen sie sich angewidert. Was bleibt? Erzähler malgré soi, Erzähler wie Maurice Kennedy, dessen „Wladiwostok“ uns die stille, urtümliche Landschaft spürbar und riechbar nahe bringt wie damals Heinrich Böll in seinem großartigen „Irländischen Tage-
buch“. Bleibt auch Elizabeth Bowen, die alternde Zauberin: mag sie heute in den Bestsellerlisten nicht mehr auf scheinen, ist sie trotzdem eine der begabtesten, edelsten Romanschriftstellerinnen ihrer Zeit. Ihre Kurzgeschichte sollte man vielleicht erst zum Schluß lesen, damit die anderen weniger unter der Konkurrenz leiden müssen. Auf jeden Fail bleibt sie lang in Erinnerung.
Daß sich Georg Bernard Shaw trotz oder sogar wegen seiner parmen- reichen Beziehung zu Mrs. Patrick Campeil, trotz der Freundschaft mit Ellen Terry unter „Liebe“ auch nicht viel vorzustellen vermochte, ist auch eine vertretbare Ansicht, Daß er aber langweilen konnte, erfuhr ich erst jetzt.
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