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Man war aut allerlei vorbereitet, aber nicht darauf, daß man : nun während der sehr vorübergehenden Dadaisten-Pseudorenaissance auch Jakob von Hoddis wieder entdecken würde. Er schien sehr vergessen zu sein, und nur ein paar Spezialisten des literarischen Expressionismus und ein paar alte Herren, die „noch dabei gewesen” sind, wußten noch etwas von diesem Hans Davidsohn, der sich Jakob van Hoddis genannt hat, und der hätte von sich sagen können wie Hermann Conradi: „Nur wie ein Meteor, der flammend kam, jach sich in Nacht verlor, werd’ ich durch unsere Dichtung streifen.” Aber nun kann man in einem Bändchen der „Sammlung Horizont” auf 74 Seiten Gedichte von ihm finden und auf 11 Seiten Prosa und anschließend „Stimmen und Dokumente zu Leber, und Werk”, ein Nachwort des Herausgebers, eine Bibliographie, Lebensdaten, Porträts und Handschriftenproben, und auf einmal steht er nun da, doch greifbar geworden und eingeordnet in seine Zeit, aber fremd, seltsam und sehr enervierend.

Sein an Umfang mageres, an Gehalt aber aufreizendes Werk nimmt man mit gemessenem Respekt zur Kenntnis. Wir sehen nun für Heutiges noch eine neue Verlängerungslinie . nach rückwärts, aber über ein bereits schon historisch werdendes Interesse geht es wohl kaum mehr hinaus. Versweise wird man noch ergriffen, hört den damals neuen Ton, liest: „Der Sturm ist da, die wilden Meere hupfen”; liest: „Denn immer fordernd rollt die blute See”, läßt sich von Ausgefallenheiten attackieren und von Schlußversen, die noch einmal etwas emporjagen, aber man spürt auch schon die Manier, das Uebertrumpfende.

Bemerkenswerter scheint mir der Mensch geblieben zu sein, jener kleine, schwarzgelockte mit den nervösen Händen, der, 22jährig (1909), im „Neopathetischen Cabaret” auftrat und gelegentlich sehr aufl gewühlt und bebend, mit etwas Schaum vor den Lippen, aus seinen sämtlichen Gedichten vorlas, die er in einem dünnen Pappeumschlag mit sich herumtrug. Er scheint „ein pfiffig-launischer Kobold” gewesen zu sein, „ein gefährlicher Berggnom, den seine eigene Zauberkunst aufregte und bedrückte”. Die Erinnerungen an Hoddis sind bemerkenswert, die von Ludwig Meidner, David Baumgardt, Kurt Hiller, Erwin Loewenson u. a„ und wenn es da auch ein paar kuriose Seiten gibt und gelegentlich ein pseudophilosophisches Gerede mit dem Hautgout vom „Cafe des Westens”, so wird man doch neugierig und fasziniert und betrachtet dann ziemlich perplex die Handschrift, über die ein Graphologe meditieren könnte.

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