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Wiener Ausstellungen: viel Abstraktes

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In der Galerie St. Stephan begegnen wir Bildern zweier deutscher Maler. Lothar Quinte aus Reutlingen bevorzugt Blau. Es tastet sich von Blaugrüngrau über Graublaugrün zu Grüngraublau mit vielen Zwischentönen. Quinte verschmäht aber auch ein leuchtendes Rot und ein sattes, schönes Gelb nicht. Soviel vom Hintergrund. Das Hauptthema indes sind schwarze, nervöse Arabesken, erregende, geheimnisvolle Schriftzeichen, verschlungene, gelegentlich ins Nebelschwadige übergehende Knäuel einer seelischen Zeichensprache. Am besten wirkt es ohne Rahmen, weil es dann unbegrenzt ist und man das Gefühl hat, daß es so weiterwuchern könnte über die ganze Wand. Die allerdings dann reparaturbedürftig aussähe. — Auch Hermann Bartels aus Frankfurt liebt Farben — um nicht Farbflecke zu sagen. Einigen wir uns auf Effekte. Verschwenderisch dick aufgetragenes Rot auf dünnem, rotem Hintergrund (auch in anderen Tönungen zu hab?n:~ etwa, in;. Grün): Kompositionen der zielstrebig vergossenen Farbe, Ausdruck jener großen Entschlossenheit, kompromißlos alles zu malen, was dem Künstler gerade einfällt: nicht viel — oder, um präziser zu sein: fast nichts. Was nicht am Vermögen liegt, beileibe nicht, sondern an der Absicht, am Prinzip. „Die Welt ist öde und voller Atomexplosionen . ..“

Im Künstlerhaus stellt die Künstlergruppe „Der Kreis“ aus: Hier geht es freundlicher zu. Soferne bunte Vielfalt freundlich ist. 8 3 Bilder und Plastiken von 29 Künstlern vieler Richtungen und Schulbeispiele allseits beliebter Schulen. Man wandert auf modernen Pfaden höchst gemächlich, höchst farbenfreudig, höchst ambitioniert, vorbildgetreu. Die dargebotene Menge läßt eine Aufzählung des einzelnen Namens nicht zu, hinterläßt indes den positiven Gesamteindruck, daß ein großer Teil der ausgestellten Bilder ziemlich gut bis sehr gut gemalt ist. Die Werke Ferdinand Stranskys, Josef Stoitzners und Arnulf Neuwirths sind darunter.

In der S e c e s s i o n stellt sich Walter Eckert mit einer Kollektivausstellung vor. Er versucht, die Dinge in ihrer Wesenheit und Wirklichkeit, in ihrem Kern zu erfassen und kommt dabei zu dem — sehr verständlichen — Ergebnis, daß sie eigentlich anders aussehen, als man sie zu sehen gewohnt ist. Der Effekt sind Kompositionen einer verklausulierten Wirklichkeit, die sich sehr still, sehr statisch, kühl bis kalt und ungefällig präsentiert. Man muß eindringen in diese grauen Bilder, noch besser, sich einführen lassen in diese Kollektion von Quadern, die wie Pflastersteine aussehen, wie Bausteine einer von irgendwoher, aus einem größeren Raum geholten, in ihrem Detail nicht leicht zu durchschauenden Aesthe-tik. — Raum an Raum mit Eckert hängen Bilder von Maria S z e n i.; groß angelegt, bunt bewegt, explosivi Die, seht, .farbenreiche fleischfarbenWidhe Abstraktion, einmal „bildschön“, dann sachlicher und konstruiert, ein andermal nicht ohne Schwermut, wie sie etwa ein schöner violetter Samt erzeugt, ist eindrucksvoll, gefällig — fast zu eindrucksvoll, beinahe zu gefällig —, nie ohne Reiz, meist ohne Tiefe.

Das Oesterreichische Museum für angewandte Kunst zeigt Plakate von Hans F a b i-gan. Große Flächen, Schriften, Bewegung, Farben, Augenfang; Figuren, Karikaturen, bunte, freudige Kompositionen sind Ausdruck und Zeugnis einer nahezu unerschöpflichen Routine, eines großen Könnens. Die Ausstellung wirkt wie eine Lehrschau der anspruchsvollen, geschmackvollen und an Ideen reichen modernen Graphik schlechthin. Wenn alles so wäre, was auf den Litfaßsäulen klebt, wär's ein ständiges Vergnügen, daran vorbeizugehen.

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