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Zwei österreichische Erzähler sagen ja zum Leben

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Der Weg nach Hassi el emel. Von Herbert Zand. 172 Seiten. Donau-Verlag, Wien-München. Preis 48.50 S. — Der Aquarellsommer. Roman. Von Othmar Franz Lang. 318 Seiten. Preis 9.50 DM. — Aber das Herz schlägt weiter. Erzählung. Von Othmar Franz Lang. 72 Seiten. Reihe: Das Kleine Buch, Nr. 81. Preis 2.20 DM. — Beide: C. Bertelsmann Verlag, Gütersloh.

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Der Weg nach Hassi el emel. Von Herbert Zand. 172 Seiten. Donau-Verlag, Wien-München. Preis 48.50 S. — Der Aquarellsommer. Roman. Von Othmar Franz Lang. 318 Seiten. Preis 9.50 DM. — Aber das Herz schlägt weiter. Erzählung. Von Othmar Franz Lang. 72 Seiten. Reihe: Das Kleine Buch, Nr. 81. Preis 2.20 DM. — Beide: C. Bertelsmann Verlag, Gütersloh.

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Herbert Zands Buch „Der Weg nach Hassi el emel“. — es trägt weder die Bezeichnung „Roman“ noch „Erzählung“ — hat die Einfachheit großer Dichtung. Ein Mann findet sich inmitten der Wüste. Unter seinem Körper verläuft eine Kinderspur. Es ist gleichgültig, daß dieser Mann Christopher Hall heißt und bei einem Versuchsflug abgestürzt ist — der ihn begleitende Pilot Giorgio kam beim Absturz ums Leben —; wichtig ist allein, daß er ein Mensch ist, der die vielfältigen Gefahren der Wüste zu bestehen hat, der mit ihnen kämpft, von ihnen bezwungen wird und sich doch immer wieder erhebt. „Die Hyäne der Wüste heulte an sein Ohr und von innen schrie die Hyäne des Durstes dagegen.“ Er folgt der Kinderspur, „zeichnet sie mit den Händen nach, als vermöchte er sie allmählich unauslöschlich in sich selbst aufzunehmen“, wird von Wahnvorstellungen und der glühenden Sonne gepeinigt, findet in einer Höhle Unterschlupf, bricht zusammen und schleppt sich doch immer wieder mit seltsam „tänzelndem. Schritt“ weiter. Weder eine Fata morgana, die dem Mann eine nahe Oase. Regen und grünes Gras vorspiegelt, noch den Abwurf von Nahrungsmitteln, Wasser und Medikamenten ganz in seiner Nähe durch Flugzeuge,die ihn nchen, und die der Mann ebeniowenig bemerkt wie sie ihn, nutzt Zand zu naheliegenden sentimentalen Effekten aus. In furchtbaren Visionen erlebt der Mann noch einmal die Schöpfung der Welt, die Entfaltung des Pflanzenreiches, die Entstehung der Tiere und schließlich die Erschaffung des Menschen — das alles aber ist so sehr mit seiner beinahe ausweglosen Lage verbunden, daß es uns unmöglich erscheint, daß ein Mensch in dieser extremen Situation etwas anderes erleben könnte als eben das Allgemeine, das Schicksal der Menschheit. Vielleicht ist der vierte und letzte Abschnitt des Buches, in dem die Frau des Fliegers ihm mit einer Suchexpedition entgegenfährt, nicht ganz so gelungen.

Ich möchte dieses Buch mit vier anderen vergleichen, um seine Bedeutung zu erläutern. Einmal mit Paul Bowles „Himmel über der Wüste“, der Geschichte eines amerikanischen Ehepaares, das die französische Sahara aufsucht, um ihr Leben auf eine „authentische Ebene“ zu verlegen. Zands Buch ist sprachlich viel dichter. Sein Stil ist so packend, so lückenlos zugreifend, daß man von Seite zu Seite glaubt, Zand könnte ihn — denn er ist ja nicht Flemingway — ganz einfach nicht bis zum Schluß durchhalten. Aber er schafft es, strauchelt vielleicht das eine oder andere Mal, aber erhebt sich wieder, und kommt an sein Ziel: nach Hassi el emel, den „Brunnen der Hoffnung“. Der zweite Vergleich sei mit dem schmalen Buch (150 Seiten) von Jens Reha „Nichts in Sicht“ geführt. Mit Rehn hat Zand die unerhörte Nüchternheit der Darstellung, die Meidimg jeglichen Effekts und die Grundsituation (der ausgesetzte Mensch) gemeinsam. Zand ist aber lebensbejahender. Die dritte Erzählung, mit dem Zands Buch verglichen werden kann ist „Der Schnee vom Kilimandscharo“ von Ernest Hemingway; auch bei Hemingway finden wir die gleiche unerbittliche afrikanische Atmosphäre; die Fieberträume des Hemingwayschen Helden — übrigens klar abgehoben von seinen wachen Augenblicken, während bei Zand, trotz aller Einsicht Halls in seinen Zustand und seine Träume, die Grenzen verschwimmen — gehen aber nie aufs Allgemeine, sondern reproduzieren nur einige Augenblicke des eigenen Lebens. Die letzte Parallele sei zu einem anderen Buch Hemingways, zu „Der alte Mann und das Meer“ gezogen. Mit ihm hat Zand die Einfachheit der Fabel — der Mensch, der sich bewährt, der auszieht und geschlagen, aber nicht besiegt, heimkehrt — gemeinsam. Indem Zand aber noch mehr will — etwa in der Darstellung auch der „anderen Seite“, der Frau Halls — erreicht er nicht ganz die Geschlossenheit des Hemingwayschen Werkes,

Othmar Franz Lang, 1921 geboren (und somit zwei Jahre älter als Zand), wie Zand bereits mehrfach ausgezeichnet, tritt mit seinen beiden ersten erzählenden Werken (bisher lagen hur Jugendbücher vor) anspruchsloser auf als dieser. Auch er hat ein große erzählerische Begabung; was er aber vor allem mit Zand gemeinsam hat, ist sein großes Ja zum Leben. In „Aber das Herz schlägt weiter“ schildert er einen alten Mann, der alles verloren hat, und einen anderen Flüchtling, eine Frau mit ihrem kleinen Kind, bei sich aufnimmt. „Gewiß, er hatte keine Angst, allein mit seinen Erinnerungen zu sein, Bilder zu sehen, die nicht ausgelöscht werden konnten. Aber das Atmen eines Kindes war mehr, auch wenn es nicht sein Kind war.“ — „Er hatte wieder seine Gedanken, einfache, gerade Gedanken. Jeder, der über andere zu entscheiden hatte, sollte erst einmal beweisen, daß er Gärtner sein kann. Das sollte so üblich sein.“ Langsam finden diese vom Schicksal geschlagenen Menschen wieder ins Leben zurück. „Nein, so hart war das Leben nicht, daß es einen vergaß. Hiob war geschlagen worden, aber auch ihn hatte das Leben nicht vergessen oder der Herr... Auch Thomas hatte es erhalten, das Zweifache, das Doppelte. Denn jeder Tag zählt doppelt für den, der schon an der Grenze gestanden hatte und nur noch einen Fuß hätte zu heben brauchen, um außerhalb zu sein.“

Das andere Buch von Lang, „Der Aquarellsommer“, die Geschichte des etwas simplen Aquarellmalers Martin Weingarten, duftig wie aufblühender Flieder, gibt die lichte, sinnenfrohe Welt eines Menschen, der sich nicht satt sehen kann „am goldenen Ueberfluß der Welt“. „Wenn ich Zigarren rauche“, erklärte dieser Martin Weingarten einmal, „dann bekenne ich und dann protestiere ich gleichzeitig. Ich bekenne mich zu Europa und ich protestiere gegen die europäische Hast, die sich in Europa breit machen will. Wenn ich Zigarren rauche, möchte ich damit jedem sagen, daß ich Zeit habe.“ Das ganze Buch ist so dahingeplaudert und will nicht allzu ernst genommen werden: es will nur sagen: freut euch an der Welt; und das sagt der Flieder ja schließlich auch ...

Was Längs Bücher vor anderer Unterhaltungsliteratur auszeichnet, ist die Leichtigkeit und Eleganz ihres Stils und das Fehlen jedweden Handlungs-gerüsts. Wovon Lang erzählt, ist immer nur der Alltag seiner Menschen, ihre Freuden, ihre Sorgen und ihre Tricks, die Sorgen zu überwinden. So läßt er sich, scheint es, mit seinen Plaudereien dahintreiben, und ist selbst ganz überrascht, wo seine Helden plötzlich landen... Was am meisten an diesen Er-zählungea zu schätzen ist, ist die Beziehung der Menschen zu den sie umgebenden Gegenständen; das sind Menschen, denen ein abgerissener Palmzweig, eine Wiese, ein Boot und die Wellen des Sees, der Duft des Kaffees und der Duft eines Sommertages noch wirklich etwas bedeuten. Was an diesen Büchern auszusetzen bleibt, ist der Mangel an Menschendarstellung. Längs Gestalten verschwimmen, haben keine Konturen, lassen sich nicht fassen. Auch hat man den Eindruck, daß all die vielen sympathischen Worte, die er ihnen in den Mund legt, nicht aus der Situation geboren werden, sondern bloß aufgeklebt sind, daß es Weisheiten sind, die dem Autor bei ganz anderer Gelegenheit einfielen und die er jetzt schnell verwendet.

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