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Bach-Konzerte

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Das Bach-Gedenkjahr 1950 kündigt sich bereits durch Konzerte an, von denen man wünscht, daß sie in Abständen das ganze Jahr über fortgesetzt werden mögen. Denn mehr als durch Festartikel und gelehrte Abhandlungen dient man dem Werk eines Musikers durch Aufführungen seiner Kompositionen. Gerad- bei Bach gälte es, verborgene Schätze zu heben. Einige wenige Werke hört man immer wieder, andere werden im kleinen, meist kirchlichen Kreis musiziert, der Großteil bleibt unaufgeführt. Dabei ist bei Bach fast alles vom gleichen Niveau, so daß wer einen „unbekannten“ Bach spielt, keinerlei Risiko auf sich nimmt. Erinnert sei nur an den fast unerschöpflichen Schatz von Kantaten und Orgelwerken …

Wir wollen das erste Bach-Konzert, das uns in diesem Jahr geschenkt wurde, als ein gutes Vorzeichen auffassen. „D i e Kunst der Fuge“ ist Bachs letztes, anspruchsvollstes, kompliziertestes Werk — und hat doch nidits von der kühlen Spiritualität mancher anderer Alterswerke. Wohl ist in diesem Fugenzyklus eine Hohe Schule des Kontrapunktes beschlossen, doch man kann ihn auch ganz unvorbereitet, gewissermaßen naiv hören — und .vird durch die Gewalt und Schönheit dieser Musik zutLfst angerührt. „Die Kunst der Fuge“ wurde später für das Konzert entdeckt als andere Werke Bachs. Das liegt nur zum Teil daran, daß Bach nur die Stimmen aufgesch rieben hat, ohne Angabe der Instrumente. Wohl war das Werk in Musikerkreisen bekannt, Brahms und Reger haben es besonders ge- schätz;, und einzelne Fugen wurden gespielt, aber erst 1928 wurde der ganze Zyklus in der Anordnung und Instrumentierung von Wolfgang Graeser (für Streicher, Holzbläser und Tasteninstrumente mit gelegentlicher Heranziehung von Blechbläsern) uraufgeführt. Die Versuchung, einzelne Stücke sogar für großes Orchester zu instrumentieren, ist beim Anhören etwa der vierstimmigen Tripelfuge (Contrapunc- tus XI) verständlich, doch ist der B e- arbeitung Bruno Seidlhofers für Klavier zu vier Händen der Vorzug zu geben. Damit ist das kostbare Werk gleichzeitig auch der ambitionierten Hausmusik erschlossen.

Wir hörten „Die Kunst der Fuge“ in der Bearbeitung Seidlhofers auf zwei Klavieren. Der Bearbeiter und Friedrich Gulda haben sich mit der Interpretation ‘ein wirkliches Verdienst erworben — und einen lebhaften PuVikumserfolg errungen. Daß W;en immer noch ein sehr gutes Musikpublikum hat, wurde an diesem Abend eindringlich demonstriert. Alle, die dieses Konzert besuchten — und es waren sehr viele! —, wurden reich belohnt. Besonders im zweiten Teil reihte sich ein Höhepunkt an den andern — bis zur vierstimmigen, unvollendeten Quadrupelfuge mit ihrem erschütternd plötzlichen Abbrechen und dem Choralvorspiel „Vor deinen Thron tret ich hiermit“.

Die sechs „B randenburgischen Konzert e“, deren Entstehungsgeschichte und besonderer Charakter bekannt ist, be- zeichnete Albert Schweitzer einmal als „die reinste Offenbarung des polyphonen Stils von Bach“. Dieser Stil und die frischquellende musikalische Erfindung adeln auch jene Werke, die zunächst auf Bestellung, als Gebrauchsmusik mit Divertimento-Charakter geschrieben wurden. In einem Konzert der Bach-Gemeinde unter der Leitung von Julius Peter hörten wir die ersten drei der „Brandenburgischen“, die Flötensonate G-dur und die Motette nach dem 149 Psalm „Singet dem Herrn ein neues Lied“. Besonders originell ist die Verwendung eines achtstimmigen Doppelchors im Choral. Befriedigend meisterte der Chor auch den schwierigen polyphonen Eingangs- und Schlußteil der Motette und legte damit von der schönen Begeisterungsfähigkeit und Hingabe an das große Werk des Leipziger Thomaskantors Zeugnis ab. In den Brandenburgischen Konzerten wirkten neben einer Reihe von Instrumentalsolisten — von denen besonders Edith Steinbauer, Solovioline, hervorgehoben werden muß — Mitglieder des Kammerorchesters der Konzerthausgesellschaft mit. Es war ein erfreulicher und wohltuender Eindruck, von einer Gemeinde für eine Gemeinde musizieren zu hören.

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