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Philharmonische Bilanz

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Das 8. und letzte Philharmonische Konzert sollte Eugen Ormandy dirigieren. Infolge Terminschwierigkeiten (Verlängerung einer Auslandstournee) mußte er absagen, und an seine Stelle trat Carl Schuricht mit einem romantischen Programm: Pfitzners Ouvertüre zu „Käthchen von Heilbronn“, den Mozart-Variationen von Reger und der IV. Symphonie von Brahms. — So kam es, daß die beiden einzigen neuen Werke, die vorgesehen waren (eine Ouvertüre von Kabalewski und die 5. Symphonie von Schostakowitsch) entfielen.

Der Zyklus der Wiener Philharmoniker während der vergangenen Spielzeit umfaßte acht Abonnementkonzerte, ein Furtwängler-Gedächtniskonzert und das Nicolai-Konzert. Insgesamt wurden in die-

Zur Ausstellung im Wiener Künstlerhaus Oskar Kokoschka: „Der Begünstigte und der im Staub Liegende.“ 1917

(Aua Kokoschka: Lithographien. Piper-Bücherei)sen zehn Veranstaltungen 23 Werke aufgeführt. Davon stammte kein einziges von einem Zeitgenossen und keines, wenn man von Richard Strauss und Franz Schmidt absieht, von einem „modernen“ Komponisten.

Damit haben die Philharmoniker wohl einen Rekord geschlagen, auch in bezug auf frühere Jahre. Auf die Frage, warum das so ist, bekommt man zur Antwort: erstens will es das philharmonische Publikum so, zweitens wollen es die meisten Dirigenten nicht anders und drittens — das kann man wohl hinzufügen — ist es so am bequemsten. Denn ein modernes Zehnminutenstück kostet mehr Probenarbeit und Anstrengung als eine ganze Brahms-Symphonie.

Daß die klassischen und romantischen Werke von den Philharmonikern schön, ja unvergleichlich gespielt werden, wissen wir und wissen es zu schätzen. Es ist nur die Frage, ob das genügt. Wir sprechen hier gar nicht von der Verpflichtung dem zeitgenössischen Schaffen gegenüber, das auf eine geradezu exemplarische Weise vernachlässigt wird. Aber diese Uninteressiertheit dem Neuen gegenüber hat auch für das Orchester unliebsame Folgen. Denn es kann geschehen, daß bei international so bekannten und abgespielten neueren Stücken, -wie etwa dem „Petruschka“-Ballett von Strawinsky oder in Hindemiths „Mathis“-Symphonie (deren dritter Teil im Vorspiel zum sechsten Bild der Oper benützt wird) auf eine Weise „gepatzt“ wird, daß man seinen Ohren nicht traut.

Sollte daher das hochberühmte Orchester einmal in die Lage kommen, zu einer bestimmten Gelegenheit einmal ein schwieriges zeitgenössisches Stück spielen zu müssen, so möchte man für das gute Gelingen nicht die Hand ins Feuer legen. Die Wertschätzung der Philharmoniker und die Höflichkeit, auf die es rechnen kann, verbieten uns, eine ganze Reihe von in- und ausländischen Orchestern zu nennen, denen eine solche Kalamität normalerweise nicht passieren könnte.

Die Spielpläne des Orchesters für die nächsten Jahre werden zeigen, ob man gesonnen ist, einen echten, universalen oder nur einen Standard für ein bestimmtes Gebiet der Musik aufrechtzuerhalten,

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