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Staatsopernballett — klassisch und modern

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Der Ballettabend, die achte und letzte Premierenvorstellung, brachte die einzige Uraufführung der Wiener Opernfestwochen: Boris Blachers „Der Mohr von Venedig“; Handlung, Choreographie und Inszenierung von Erika H a n k a, der Ballettmeisterin der Staatsoper. Das Sujet ist identisch mit Shakespeares „Othello“. Die Neuheit der Ballettbearbeitung, der dramaturgische Trick — der als recht gelungen bezeichnet werden kann — besteht darin, daß man mit der Schlußkatastrophe, der Ermordung Desdemonas durch den Mohren von Venedig, begann und dann gewissermaßen zurückblendete auf die Vorgeschichte. Zwischen die acht Bilder sind sieben Ritornelle eingeschaltet, in denen die vorher gezeigte Handlung ins Allgemeingültige gehoben werden soll. Sie tragen lehrhafte Titel, wie: „Von dem Mitteid gütiger Frauen“ oder „Von der Grausamkeit der Enttäuschung“ usw. und werden von drei Paaren, die bei der Hauptaktion nicht beschäftigt sind, vor einem schwarzen Vorhang getanzt. Blachers Musik, diesmal nicht auf variablen Metren basierend, ist von äußerster Sparsamkeit und Askese. Auf weite Strecken ist sie zwei- oder dreistimmig, während an den dramatischen Höhepunkten schlagwerkgepanzerte Blechbläser, eingesetzt werden. Als Bühnenbildner hatte man sich George Wak-h e w i t s c h aus Paris kommen lassen, der ein sehr modernes, abstraktes Einheitsbild mit einem riesigen, durchbrochenen Turm im Hintergrund, und äußerst prunkvolle (und kostspielige) Kostüme schuf. In den Hauptpartien war die junge GaTde des Wiener Opernballetts, darunter 17- und 18jährige, eingesetzt (Willy Dirtl, Christi Zimmerl, Richard Adama, Lucia Bräuer, Yann Borall und Edeltraut Brexner). Die Choreographie war wohldurchdacht und wirkungsvoll, die Ritornelle nicht immer ganz der Musik entsprechend (und retardierend), die Leistungen der jungen Tänzer durchweg ausgezeichnet..

Dem modernen Ballett war ein Standardwerk des klassisch-romantischen Stils vorausgegangen, Adams „Giseile“, nach einer Idee von H. Heine entworfen von Theophile Gautier und mit der altbewährten Choreographie Corallis, der bis 1*48 Ballettmeister an der Pariser Oper war. Die Erneuerung, Ergänzung und Einstudierung besorgte Gordon Hamilton, ebenfalls eine Neuakquisition des Wiener Staatsopernballetts. Die Leistungen des Ensembles, dessen klassischer Stil während der letzten Jahre etwas vernachlässigt worden war, übertrafen alle Erwartungen. Hier präsentierte sich, in den phantasievollen Kostümen Wakhewitschs (silbergrau und rosa, gelb und schwarz) und in dessen wesentlich anspruchsloseren Bühnenbildern, ein aus künftigen Stars bestehendes Trio (Margarete Bätier,' Willy Dirtl und E. Brexner), das durch zwei besonders talentierte Allerjüngste (Erika Zlocha und Richard Adama) fast noch übertroffen wurde. — An 'der Mulik Adams fanden die Philharmoniker unter der Leitung Heinrich Hollreisers offensichtlich keinen Gefallen, und auch die Partitur von Blacher ging ihnen etwas gegen den Strich. Begreiflicherweise, da sie keinerlei Gelegenheit zur Entfaltung philharmonischen Wohlklanges bietet. Am Ende: sehr lebhafter und langanhaltender Applaus für alle Mitwirkenden.

Die Wiederholung des Ballettabends am vergangenen Sonntag, bei der die hochtalentierte 16jährige Erika Zlocha die Titelrolle der „Giselle“ übernommen hatte, bekräftigte und verstärkte den positiven Ge-samteindtuck des Premierenabends, so daß die Prognose erlaubt erscheint„ dafi mit dem- Opernfest 1955 eine neue Aera auch“ des ,-Staatsoperiiballetts begonnen hat.

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