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Tristan-franzosisch

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Wagners mächtiges und fragwürdiges Werk — immer wieder beschäftigt es unseren Geist mit seinem „klugen und sinnigen, sehnsüchtigen und abgefeimten Zauber“, wie ihn bereits vor einem Menschenalter Thomas Mann charakterisierte. Nicht als das opus metaphysicum. dessen nächtliche Liebesund Todesglorifizierung die Deutschen schätzten, sondern als eine zwar tiefbedeutsame und sehr ausgebreitete, aber doch mehr diesseitige Liebesgeschichte mit tödlichem Ausgang interpretiert Andre C1 u y t e n s, der aus Frankreich kommende Meisterdirigent, das Werk. Das Orchester klingt unter seiner Leitung hell, klar und durchsichtig und wird auf eine Weise abgedämpft (und der Sänger hervorgehoben und geschont), wie wir es außerhalb des Bayreuther Festspielhauses noch nicht erlebt haben. Es fehlt der Interpretation von Cluytens nicht an Temperament und Leidenschaft, aber alles gerät um einige Grade kühler, nuancierter und deutlicher, als man es bei uns gewohnt ist. Die Titelpartien sangen Rudolf Lustig und Gertrude Gr ob-Pr an dl: ein schöner, etwas baritonal gefärbter Tenor und eine überaus kräftige, bis in die hohen Register und Spitzentöne völlig intakte Sopranstimme. Auch im übrigen Ensemble fiel keine einzige Leistung ab (Kurt Böhme, Toni Blankenheim von der Hamburger Staatsoper als Kurwenal, Georgine Milinkovic und Hans Braun), so daß die Aufführung — vor allem auch dank sorgfältiger Neueinstudierung durch den Gastdirigenten — hohes Niveau hatte. — Bühnenbild und Regie waren unverändert wie in den vorausgegangenen Darbietungen.

Drei zeitgenössische Werke hörten wir im letzten Musica-Nova-Konzert der Symphoniker unter Kurt Richter am vergangenen Sonntag im Großen Sendesaal des Funkhauses. Konrad Rötscher, Jahrgang 1910, hatte, laut Programm, mit der Uraufführung seiner fünfsätzigen Suite op. 26 in Hamburg einen stürmischen Erfolg. Kein Wunder, denn, sie vereinigt allerlei gängige und bekannte Stilelemente von Richard Strauss über Mussorgsky bis Strawinsky und Blacher. Eine Musik gewissermaßen, an der „alles dran“, aber nicht viel drin ist. Von den „neuen kompositionstechnischen Prinzipien“, die das Programm verspricht, haben wir freilich nichts bemerkt. Und wir hätten sie, bei einem originelleren Stück, auch nicht vermißt. — Da ist Hans Werner Henzes „Konzert für Klavier und Orchester“ aus edlerem, freilich auch härterem Holz. Nach einer rhapsodischen Entree folgt ein lyrisch beginnender, sich zu mächtigen und leidenschaftlichen Ausdrucksbewegungen steigernder und zart verklingender Pas de deux, zum Abschluß eine gewichtige Coda. Klangfarbe und Expressivität erinnern, ganz allgemein, an den Spätstil von Alban Berg, insbesondere an die „Lulu“ und das Violinkonzert. Alexander K a u 1 war der ausgezeichnete, hochmusikalische Interpret des Klavierparts. — Mit der Herausgabe von Prokofieffs VII. Symphonie aus dem-Nachlaß hat man dem großen Komponisten keinen guten Dienst getan. Zumindest ist der Titel „Symphonie“ für diese vier melodiereichen, quodlibetartigen Sätze zu an spiuchsvoll. Dagegen wäre diesen glänzend orchestrierten und gefälligen Stücken innerhalb der Sparte „Unterhaltungsmusik“ ein Ehrenplatz sicher. — Kurt Richter, der das Orchester ruhig und schlagtechnisch gewandt leitete, scheint zum Al-fresco-Stil Prokofieffs mehr Beziehung zu haben als zu den komplizierten Strukturen und Rhythmen Henzes.

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