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IM ZEICHEN GARIBALDIS

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Auch Hildegard Knef ist mit von der vaterländischen Partie, das heißt bei der Einigungsbewegung, die dem Land südlich der Alpen vor hundert Jahren zur Eigenstaatlichkeit verhalf und die nunmehr von der italienischen Kinematographie zur Erinnerung an die damaligen Vorgänge in vielerlei Erzeugnissen wiederbelebt wird. Sogar Tina Louise, die weltenbummelnde Amerikanerin, die merkwürdigerweise die Gunst Rossellinis erlangt hat, assistiert dabei durch ihr bescheidenes Spiel — und dazu noch der eine oder andere Ausländer, dies freilich weniger aus Gründen der Sympathie für das Sujet oder seine „Idee“, als vielmehr aus finanziellen Erwägungen. Das Hauptkontingent der Beteiligten, von den Stars bis zur technischen Equipe, stellen natürlich die jubilierenden Italiener selbst.

An sich hatte man ja geplant, das Gedenkjahr mit einem besonderen Film zu feiern:- „Die Tausend"T. so benannt nach der diese Zahl umfassenden Freischar Garibaldis, die 1860 nach Sizilien zog und dort die Bourbonenherrschaft stürzte — sollten in einer einmaligen Superproduktion entstehen, an der alle namhaften italienischen Filmschaffenden mitwirken. Den Regisseuren Federico Fellini, Roberto Rossellini, Vittorio de Sica, Luchino Visconti usw. war die Gestaltung einzelner Episoden des kühnen Unternehmens der Garibaldiner zugedacht. In Breitwand und Farbe wurde ein Riesenfresko projektiert, das seinen berühmten Vorgänger, den 1933 von Alessandro Blasetti in meisterlicher Form und erstaunlicherweise mit einer von den Faschisten mißbilligten pazifistischen Tendenz gedrehten Streifen „1860“ bei weitem übertreffen sollte. Leider ist es um dieses Vorhaben recht still geworden; offenbar hatte man die Schwierigkeiten, denen die Produktion eines solchen filmischen „Nationalheiligtums“ zwangsläufig begegnen muß, selbst in Kreisen des Nationalverbandes der Filmindustrie, der mit dem Plan an die Öffentlichkeit trat, unterschätzt.

Dennoch wird Garibaldis Freikorps ausgiebig auf der Lein- wand marschieren. Rossellini arbeitet an einem Film „Es lebe Italien!", der die wesentlichen Ereignisse der sizilianischen Expedition der „Tausend“ schildert. Die entscheidenden Szenen dreht er dort, wo sich die historischen Vorgänge zugetragen haben, in Volturno etwa, in Milazzo oder Palermo. Die Hauptrollen spielen Renzo Ricci, Paolo Stoppa, Franco Interlenghi, Giovanna Ralli, ein ziemlich neuer Star am italienischen Filmhimmel. Hier wurde auch Tina Louise verpflichtet.

Für den Titelpart eines weiteren Films, „Bruder Manisco. der Blitzableiter“, zog Aldo Fabrizi, einer der volkstümlichsten Darsteller Italiens, gleich ausgezeichnet als Komödiant wie im schweren dramatischen Fach (siehe „Rom — offene Stadt", „Der Göttergatte“ usw.), wieder einmal das Priestergewand an. In diesem Streifen geht es um die teils tragische, teils heitere Auseinandersetzung der mit den Bourbonen Sympathisierenden und den Anhängern des „Risorgimento", der Aufstandsbewegung. in der neapolitanischen Provinz. Auch da wird Giuseppe Garibaldi an der Spitze seiner Truppen zu sehen sein, kraftvoll, revolutionär, mit hinreißendem Schwung.

In der „Straße der Giganten" — gemeint sind damit die Eisenbahnen im 1860 der piemontesischen Föderation einverleibten Großherzogtum Parma — wird vordergründig zwar das im Titel ausgewiesene Thema behandelt: dahinter aber steht die politische Entwicklung jener Zeit, die unlösbar mit den Namen Garibaldi, Cavour, Mazzini usw. verbunden ist. Im historischen Milieu erscheint hier u. a. auch Hildegard Knef.

Dem Vernehmen nach sind weitere Filme in Vorbereitung, die sich direkt oder mittelbar mit der italienischen Einigung befassen, so zum Beispiel solche um die zeitgenössische Geheimbündelei, gewisse republikanische Verschwörergrtippen, den Liberalismus Cavourscher Prägung usw. Ob sie alle realisiert werden, ist fraglich. Aber das Rr mantisch-C''hwärmerische. das „Vaterländische" im geschichtlichen Gewand (mit der nur zu gerne wahrgenommenen Möglichkeit aktueller Anspielungen) liegt auch dem modernen Italiener so sehr, daß man annehmen darf, es werde nichts unversucht gelassen, gerade heuer, im Gedenkjahr, die Pläne zu verwirklichen. Und, wer weiß, vielleicht marschieren am Ende auch noch die „Tausend" in Cinemascope und Ferraniacolor — ihnen voran, mit Bart und flachem Käppi, Garibaldi, der enthusiastisch gefeierte Freiheitsheld …

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