Phädra im Akademietheater: Eine Frau sieht rot
Die deutsch-georgische Autorin Nino Haratischwili legt mit „Phädra, in Flammen“ eine zeitgemäße Interpretation der tragischen Heldin vor.
Die deutsch-georgische Autorin Nino Haratischwili legt mit „Phädra, in Flammen“ eine zeitgemäße Interpretation der tragischen Heldin vor.
Er gehört zu den absoluten Bühnenklassikern: Der Phädra-Mythos zeichnet seit Euripides und Seneca tiefe Spuren in die Theaterhistoriographie. Die Sage um Leben und Sterben der unglücklichen Gattin des Minotaurus-Bezwingers Theseus wurde von Jean Racine und seinem Übersetzer Friedrich Schiller bis hin zu Sarah Kane immer wieder aufgegriffen und weiterentwickelt. Nun legt die deutsch-georgische Autorin Nino Haratischwili mit „Phädra, in Flammen“ eine interessante Neuzeichnung der tragischen Heldin aus Athen vor, die für ihre österreichische Erstaufführung von Regisseurin Tina Lanik atmosphärisch-dicht in Szene gesetzt wurde.
Schwülstiges Liebesinferno
Auf der ganz in rotes Licht getauchten Bühne des Akademietheaters quälen die Enkelin des Sonnengottes Helios recht irdische Probleme. Ehezwistigkeiten, die Wechseljahre, Falten und verpasste Chancen setzen Sophie von Kessel als Titelheldin im roten Ganzkörper-Glitzeroutfit zu.
Sie sehnt sich „in den Uterus des Lebens“ zurück, da kommt ihr die ungestüme Liebe der jugendlichen Persea (Dagna Litzenberger Vinet) gerade recht. Die mit Tattoos übersäte Schwiegertochter in spe bringt frischen Schwung in die Palastmauern. Nicht nur ihr Verlobter, Thronfolger Demophon (Julian von Hansemann), auch dessen sanftmütiger Bruder Acamas (Etienne Halsdorf) buhlen um ihre Zuneigung, dabei hat die selbstbewusste Schönheit in ihrem kleinen Schwarzen nur Augen für die Mutter des Bräutigams. Die Gegenüberstellung der beiden starken Frauenfiguren macht die Rolle des Hippolytos – Stiefsohn Phädras und in den historischen Vorlagen Ausgangspunkt der Tragödie – obsolet. Eine Veränderung, die für Haratischwili während ihres Schreibprozesses in Georgien angesichts der offenen Aggressionen gegen die LGBT-Bewegung im Land evident wurde.
2021 hatten rechte Gruppen mit der Unterstützung der orthodoxen Kirche gegen ein friedlich ablaufendes Pride-Festival mobil gemacht. Bei den gewalttätigen Ausschreitungen kam es zum Tod eines jungen Journalisten. Gleichzeitig bringt die neue Figurenkonstellation ebenso wie der Titelzusatz das Stück in die Nähe des französischen Spielfilms „Porträt einer jungen Frau in Flammen“ von 2019, dem ebenfalls eine lesbische Liebe zugrunde liegt. Der überarbeitete Plot funktioniert erstaunlich gut und gibt der Geschichte einen aktuellen Twist. Laniks Inszenierung verheddert sich aber trotz zahlreicher ironischer Brechungen wie der Stimme von Kessels über Lautsprecher zusehends in ein schwülstiges Liebesinferno. Das „Voiceover“ gibt launige Auskunft über die jeweiligen Mondphasen und die Gefühlszustände der Protagonisten. „Phädra ist sehr glücklich“ heißt es etwa im Moment der innigen Liebe zwischen Königin und Schwiegertochter.
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