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Abschied von Pearl Buck

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Pearl Buck ist tot. Sie starb 80jäh-rig am Faschingdienstag, am Vorabend des Aschermittwoch. Rilkes berühmtes Wort „Herr, gib jedem seinen eigenen Tod“ hat sich wieder einmal bewahrheitet. Denn das Leben dieser weltberühmten Schriftstellerin bewegte sich immer zwischen ausgelassener Vitalität einerseits und strenger calvinistischer Aszese anderseits. Als fünf Monate altes Kind war sie mit ihren Eltern, presbyterianischen Missionaren, nach China gekommen, wo sie 40 Jahre lebte. Schon ihr erstes Buch, „Ostwind — Westwind“, erschienen 1930, machte sie berühmt. Für ihr zweites, „Die gute Erde“, erhielt sie den Pulitzer-Preis, und 1938, als erste Amerikanerin, den Nobelpreis für Literatur. Aus ihren 84 Werken wurden viele zum Welterfolg, so „Die Mutter“, „Wer den Wind sät“ oder „Das Mädchen Orchidee“. Mehrere ihrer Bücher sind auch als Filme um die Welt gegangen. Im Vorjahr wurde ihr Antrag auf ein Einreisevisum nach China abgelehnt. Die Volksrepublik China warf ihr vor, sie habe in ihrem Roman „Der Brief aus Peking“ ihrem Haß gegen die Volksrepublik China freien Lauf gelassen. Pearl S. Buck hat das berühmt gewordene „Welcome-Haus“ zur Aufnahme von Waisen und verlassenen Kindern gegründet und selbst fünf Mischlingskinder adoptiert. Ihr einziges Kind aus ihrer ersten, bald geschiedenen Ehe mußte sie wegen Geisteskrankheit frühzeitig in einer Anstalt unterbringen.

Knapp vor ihrem Tod erschien ihr letztes Werk „Letzte große Liebe“ in deutscher Übersetzung. Es ist die Geschichte einer Frau, die nach einer landläufig guten Ehe als Witwe noch zweimal eine große Liebe erlebt, einmal mit einem viel älteren Mann und einmal mit einem ganz jungen Wissenschaftler, der durch diese Liebe mit einer älteren Frau erst zu jener Reife gelangt, die es ihm ermöglicht, ein junges Mädchen zu heiraten. Dieses letzte Werk fällt natürlich manchmal gegenüber den großen Büchern der berühmten Verfasserin ab. Aber dennoch finden sich auch in diesem kleinen Werk wunderbare Definitionen und Formulierungen über das Thema „Liebe“, dem ja fast alle Werke der Nobel-Preisträgerin gewidmet waren. „Die Liebe“, schreibt sie in diesem Buch, „gibt nicht nur Leben, sondern sie gibt auch Kraft“, und weiter heißt es, „die Fackel der Liebe muß von einem Herzen zum anderen, von einer Generation zur anderen weitergereicht werden, denn ohne Liebe verliert das Leben seinen Sinn und die Seele verkümmert“. Mit diesen Worten, die wie eine Proklamation klingen, verabschiedet sich die große Dichterin von einer Welt, die gerade jetzt eine Epoche durchmacht, in der Liebe und Treue kaum Geltung haben.

LETZTE GROSSE LIEBE. Roman von Pearl S. Buck. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Hansjürgen Wille und Barbara Klau. Verlag Kurt Desch, Wien. 266 Seiten.

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