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Ärztekonsilium

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Nachdem er sich mit einem prüfenden Blick davon überzeugt hatte, daß die dicken Polstertüren wirklich fest verschlossen waren, ergriff der Gesundheitsminister das Wort:

„Meine Damen und Herren, Sie wissen, weshalb heute dieses Ärztekonsilium einberufen wurde. Es geht um den Gesundheitszustand unseres verehrten Regierungschefs. Ist es verantwortbar, daß er bei den nächsten Wahlen wieder kandidiert? Wie lautet Ihr Urteil?”

Der Hals-Nasen-Ohren-Spe-ziälist, Prof. Taub, antwortete als erster: „Aus meiner Sicht ist vor allem sein zuletzt häufig verstopfter Gehörgang Grund zur Sorge. Manche Leute, beispielsweise Malzacher und Cap, finden bei ihm kein offenes Ohr. Wenn sie etwas sagen, ist er verschnupft.”

Als nächster meldete sich ein Experte für Zahnheilkunde, Doz. Amalgaminger: „Für notwendige Wurzelbehandlungen, als Behandlungen des Übels an der Wurzel, hat er leider manchmal wenig Verständnis. Gegen Steyr-Waffenexporte wettert er, die Waffenproduktion der verstaatlichten VOEST nimmt er hin.

Mit Brücken hat es erfreulicherweise in den letzten Jahren keine Probleme mehr gegeben. Daß er nicht mehr so die Zähne zusammenbeißen kann wie früher, das ist ja bekannt. Aber lassen wir uns davon nicht täuschen, er kann noch immer sehr bissig sein.”

„Was mein Fachgebiet betrifft”, setzte der Augenfachmann Primarius Rücksicht fort, „wissen wir alle, daß seine Idee einer Zwentendorf-Abstimmung 1978 ins Auge gegangen beziehungsweise er dabei nur mit einem blauen Auge davongekommen ist. Seither hat er eine Art grünen Star, das heißt, er verfolgt mit bösen Blicken alles, was grün ist.

Der Gesundheitsminister zog eine Zwischenbilanz: „Wie ich sehe, erfreut sich unser Regierungschef demnach bester Gesundheit, kleine Wehwehchen hatte er immer schon — wer hat die nicht? -, aber im allgemeinen...”

„___verdaut er halt leider nicht mehr alles so gut wie früher”, fiel ihm der Internist, Prof. Peristalti-co, ins Wort. „Es liegen ihm eine Reihe Dinge im Magen: Zwenten-dorf, das AKH, Androsch, das Konferenzzentrum — und so weiter und so weiter. Vor Parteifreunden läuft ihm, wenn er von der Opposition spricht, gelegentlich die Galle über.”

„Das spricht nur für seine Vitalität”, rief der Gesundheitsmini-, ster, „das ist nichts Ernstes.”

„Wir dürfen auch seinen Schwindel-Anfall am 1. Mai vor dem Wiener Rathaus nicht vergessen”, sagte der Neurologe, Medizinalrat Ganglienzellen „Er setzt sich selbst immer wieder eine Fülle von Dingen in den Kopf und leidet dann unter Kopfschmerzen. Seine außenpolitischen Maßnahmen, ich denke da an die Gaddafi-Einladung und die herzlichen Kontakte zu Arafat und zur PLO, verraten mitunter wenig Gefühl in den Fingerspitzen.”

„Weil Sie gerade von .herzlich' sprachen, Herr Kollege”, meldete sich die Kardiologin, Primaria Sweetheart, zu Wort: „Auf diesem Gebiet ist er allen anderen eindeutig überlegen. Wo seine Politik bei Freund und Feind Herzklopfen verursacht, etwa beim UNO-Konferenzzentrum, da hat er noch das Herz, beherzt bei seiner Meinung zu bleiben.”

Erst jetzt meldete sich der Dermatologe Doz. Leberfleck zu Wort: „Vom hautärztlichen Standpunkt ist bemerkenswert, daß ihm einiges unter die Haut geht. Bestimmte Namen, etwa Wiesenthal oder Androsch, dürfen in seiner Gegenwart nicht genannt werden, sonst folgt ein Anfall oder ein wilder Ausschlag.

Daran zeigt sich auch, wo ihn der Schuh drückt, wo seine Achil-

Ohne Worte (Karikatur: Punch) lesferse ist. Sonst wären nur kleine Schnittwunden im Gesicht zu erwähnen, weil er ein begeisterter Naßrasierer ist.”

„Wenn wir zusammenfassen, denn davon verstehe ich ein bißchen etwas”, erklärte der Gesundheitsminister, „alles in allem keine Besonderheiten. Daß auch er seinen wunden Punkt hat, wissen wir. Bei Beurteilung seiner Gesamtkonstitution müssen wir aber berücksichtigen, wie großartig er sich erst kürzlich, als ihm das Wasser mehr als bis zum Hals stand, an einem Sauerzopf herausgezogen hat.”

„Trotzdem ist am nächsten Wahltag für ihn ein Muskelschwund, wenn nicht eine kleine Schwindsucht, zu befürchten”, mengte sich nun der Hausarzt, Dr. Armbruster, in die Debatte. „Kalte Füße holt er sich auch manchmal, zuletzt beim Amtskollegen Schmidt wegen des Rhein-Main-Donau-Kanals. Außerdem stelle ich fest, daß ihn des öfteren ein Reisefieber packt, das ansteckend sein muß, weil es zunehmend auch andere Regierungsmitglieder ergreift.”

„Der Fall Androsch ist ihm natürlich schon sehr in die Knochen gefahren”, sagte die Orthopädin, Doz. Gichterl, „vielleicht sollte man auch erwähnen, daß er sehr sprunghaft in seinen Meinungsänderungen ist.”

„Aber auch das beweist ja nur seine Vitalität, seine geistige Beweglichkeit”, rief der Gesundheitsminister euphorisch. „Wem nichts mehr weh tut, mit dem kann man auch nicht mehr rechnen. Ich glaube, wir stimmen darin überein, daß einer Wiederkandidatur nichts im Weg liegt.”

Nachdem alle zugestimmt hatten, fragte Medizinalrat Ganglienzellen „Und wenn er trotz unseres Gutachtens nicht mehr kandidiert?”

„Dann”, sagte der Gesundheitsminister, „glaube ich namens meiner Partei sagen zu können: G'sund schau'n wir aus!”

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