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Digital In Arbeit

Am Kabel hängt’s

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Ich bin verkabelt, ja 19 TV-Pro- gramme und 22 Rundfunkprogramme auf Knopfdruck. Irgendwie hat man das Gefühl, man hat die Welt im Kasten, Amerikanische Dinnerparty, französische Nouvelle cuisine, Englischer Five o’clock tea, italienische Mafiatorte, deutsche Klöße, österreichische Kasnudeln.

Das waren nur die Rezepte, die Kochrezepte auf Kabel. Aber da gibt’s noch Bastelstunden, Revue

um Mitternacht, Einführung in die Algebra, Das Wort zum Sonntag, Die grüne Ecke, Der Radfahrer, Alf und so fort.

Ursprünglich hatte ich ja Probleme mit den Parallelsendungen. Das sind jene, die zur selben Zeit laufen. Aber das war schnell gelöst: Sieben Videorecorder und eine Videothek, daß sich die Bänder biegen.

Außerdem laß ich mindestens zwei Programme gleichzeitig laufen, eines in groß und eines als

Bild im Bild etwas kleiner. Napoleon hat auch fünf Sachen gleichzeitig gemacht, da wird doch unsereiner zwei Filme gleichzeitig in die Ganglien laufen lassen können, war doch gelacht.

Natürlich, anstrengend ist sie schon, so eine Verkabelung. Man muß mit einem täglichen Sitzbudget von sieben bis acht Stunden zwischen 17.30 Uhr bis etwa 0.20 Uhr rechnen, wenn das Abendessen parallel läuft, sonst kann’s bis ein, zwei Uhr in der Früh gehen, manchmal auch länger.

Dann noch Samstagvormittag Video, Samstagnachmittag Video, Sonntagvormittag Video,

Sonntagnachmittag Video. Na und im Urlaub arbeite ich dann die restlichen Videos auf — bis zur bitteren Neige.

Im Auto hab ich jetzt auch ein TV-Gerät mit eingebautem Video. So kann ich mir das Krimiende fertig anschauen, bei dem ich am Vortag eingeschlafen bin.

Und bei der Heimfahrt vom Büro schau ich gern Gartentips, Fitneßprogramme und Richtig Waldlaufen. Jetzt, mit dem Kabel, da kann ich erst so richtig meine diversen Bildungslücken füllen.

Ich weiß eigentlich gar nicht so recht, warum ich meine Kinder in die Schule schicken soll, per Kabel krieg ich alles ins Wohnzimmer, vom kleinen Einmaleins bis zur Relativitätstheorie von Einstein.

Wirklich, wozu noch in die Schule, oder in die Kirche, oder ins Theater, oder ins Kino, oder ins Konzert, oder auf die Straße —? Ja, auf die Straße schon, schließlich brauch ich doch neue Bänder. Vidęobander. Und solange die nicht per Kabel geliefert werden, muß ich wohl oder übel noch außer Haus. Aber sicher nicht mehr lange.

Zu guter Letą

FRAUENPOLITIK

Viele haben sich vorgestellt, von Frauen gemachte Politik sei lediglich pazifistisch oder humanitär oder sentimental. Die wirkliche Gefahr femininer Politik ist: zu viel Liebe zu maskuliner Politik.

TOURISTEN

Der Tourist besucht Italien der Botticellis wegen und behandelt die große Nation, die solches hervorbrachte, wie Museumswärter. Es scheint ihm nicht einzufallen, daß der Italiener nicht der Wärter dieser Kunstwerke ist, sondern ihr Schöpfer… Man hat kein Recht, die toten Italiener zu achten, wenn man nicht die lebenden achtet.

LETZTE NACHRICHTEN

Der journalistische Fluch: die letzten Nachrichten gehört zu haben. Das heißt: das Ende der Geschichte gehört zu haben, ohne ihren Anfang gehört zu haben.

Aus: HEITERE WEISHEIT. ERNSTE SPÄSSE. Von G. K. Chesterton. Brendow Verlag, Moers 1988. 79 Seiten.

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