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Blob Kosmetik fur viel Geld?

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Wiens seit Jahren unter Beschuß stehende Festuwchen auf Reformwelle: Vizebürgermeister Fröhlich-Sandner, Wiens Kulturmutter, und vor allem Bürgermeister Gratz haben Gerhard Freund beauftragt, ab 1978 den Wiener Festwochen einen neuen Zuschnitt zu verpassen. Das heißt, daß Freund neben dem noch bis 1977 amtierenden Festwochenchef Ulrich Baumgartner bereits jetzt sein Konzept im Detail vorausplanen wird.

Wer ist der neue Mann?: Ex-intendant des ORF und Bacher-Vorgänger aus dem roten Lager, dann Münchner „InterteV'-Chef, jetzt Stadthallengewaltiger mit Riesenambitionen, den Vogelweidplatz zu einer gigantischen Kulturfabrik hochzulizitieren (Motto: Von Bernstein bis zur Super-Popshow). Ihm erteilte die Gemeinde Wien auch den Auftrag, Wiens „Häusern der Begegnung“ endlich eine zeitgemäße geistige Ausrichtung zu geben, weshalb er das „Institut für empirische Sozialforschung“ bereits mit einer Untersuchung beauftragte; er ist außerdem — ver-dienstvoll — um die Rettung des Ronacher bemüht und wird hier hoffentlich nicht aufgeben... Ein Kulturgigant also, der das vielgescholtene Kind „Festwochen“, dem in den zwölf Jahren der Ära Baumgartner so manche Ohrfeige verpaßt wurde, unter seine Fittiche nehmen soll. Wie man hört, zwar nur als Nebenjob, also neben Stadthalle und Reorganisationsprogramm für die „Häuser der Begegnung“. Aber er wird sie hoffentlich dennoch nicht bloß mit der Linken erledigen!

Was Freund an Reformen aus Aktentasche und Hut zaubern wird, wie er sich die Revitalisierung des Festwochenkomplexes vorgestellt hat, was er an Wertvollem aus der Ära Baumgartner (etwa die „Arena“, die Idee eines Ballettfestivals, die Wiederentdeckung des Puppentheaters usw.) in seine Amtsperiode herüberretten will, ist vorerst ungewiß.'Daß Wiens Festwochen ein „Festival der Großstadt“, mit internationalen Theater-, Opern-und Ballettgastspielen bleiben (oder werden?) soll, daß anderseits Bezirks- und Randspiele in neue Beziehungen zum Kulturalltag gestellt werden sollen, hat sich Bürgermeister Gratz bereits mehrmals gewünscht.

Freund wird also wohl in diese Kerbe schlagen, propagieren, was er bereits in der Stadthalle im kleineren Rahmen versucht: Festwochen als großes Nebeneinander von internationalen Stars, von Gastspielen mit Bernstein, Strehler. Peter Brook, bis hin zu den Rolling Stones, und eingebettet in Ideen, die dem sensationellen Gastspielzirkus Leitlinien geben sollen. Daß daneben „Randspiele“ aller Art in Freunds zweitem Imperium, den „Häusern der Begegnung“, veranstaltet werden können, ja daß so eine kulturelle Bespielung der Bezirke das ganze Jahr über erreicht wird, macht die Sache attraktiv.

Allerdings hat Freund vorerst eine Atempause. Von zwei Jahren. Denn 1977 wird Festwochenchef Baumgartner noch internationales Ballett bescheren und sich selbst damit einen schönen Abgang in die Pension (oder auch zu Bezirksveranstaltungen, Randspielen usw.) verschaffen. Nur wird Freund der sich mit dieser Zusammenfassung so vieler Aktivitäten, kultureller Institutionen, allmählich zu einem Super-Jung-bluth mausert, einiges in seiner geistigen Position klären müssen: Der Vorteil dieser Akkumulation von Möglichkeiten liegt auf der Hand. Organisatorisch, finanziell, in der Planung und Auswertung kultureller Produkte. Aber was soll dabei aus den Festwochen werden?

Ein Katalog von Fragen drängt sich da auf: Für wen werden Festwochen veranstaltet? Kann man sie auch in Hinsicht aufs Publikum internationalisieren? Muß dieses Festival bloß Spielwiese für gerade durchziehende internationale Truppen bleiben oder gibt es Möglichkeiten, mit bedeutenden Eigenveranstaltungen (die natürlich sehr kostspielig sein können) dem Festival einen spezifisch wienerischen Charakter zu geben? Also etwa mit Produktionen großer Barockopern, mit Schnitzler, Hofmannsthal, Horväth im Theater, mit einem neuen „Wiener Schule“-Schub, der auch endlich wieder „Wozzeck“, „Lulu“ und andere große Schönberg-Werke beschert? Sollen diese Festwochen bloß großer Starbetrieb sein oder sollen die Bezirke doch in irgendeiner Form aktiviert werden? Soll man mit dem Festival-Termin von Karajans festlichen Tagen“ in der Staatsoper abrücken? Und was wird aus der „Arena“, die eigentlich der Bombenerfolg der Ära Baumgartner wurde und so ziemlich das einzige anti-elitäre Unternehmen des Festes ist?

Freunds Stärke wird es jedenfalls sein, viele Häuser bespielen zu können, viele Veranstaltungsmöglichkeiten in petto zu haben, ausnützen zu können. Aber es wird bei ihm liegen, daß Wiens Festwochen tatsächlich eine den heutigen Kulturerfordernissen angepaßte Struktur bekommen. Daß sie ein eigenes Gesicht bekommen, das sie etwa von den (oft glücklosen!) Berliner Festwochen unterscheidet. Denn bloße Festivalkosmetik mit ein bißchen Starrummel, Lamettanamen und internationalem Flitter, also ein schöneres Gesicht für viel mehr Geld, wäre Verschwendung!

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