6814854-1973_02_12.jpg
Digital In Arbeit

Bruckners Neunte

Werbung
Werbung
Werbung

Im 4. Konzert ihres Zyklus spielten die Wiener Symphoniker unter Hans Swarowskys Leitung Bruckners Neunte. — Im Adagio der VII. Symphonie hatte Bruckner von Richard Wagner Abschied genommen, im langsamen Satz der Achten — mit drei Harfen, Triangel und Becken — war er am stärksten unter den Einfluß des Meisters von Bayreuth geraten. In seiner letzten Symphonie, an deren Partitur er von 1891 bis 1894 arbeitete, war er wieder ganz er selbst, und obwohl nur drei Sätze vorliegen, zögern wir, sie als „unvollendet“ zu bezeichnen. Bruckner aber empfand sein größtes und persönlichstes Werk als Fragment und empfahl, an Stelle des fehlendes 4. Satzes sein zehn Jahre früher entstandenes Te Deum zu spielen. So geschah es auch am vergangenen Sonntag im Großen Musikvereinssaal. Das Te Deum mit Rudolf Scholz an der Orgel geriet prunkvoll und mitreißend: dank des vorzüglich studierten Singvereins in großer Besetzung und der vier kräftigen jugendlichen Solostimmen von Sona Ghazarian, Rita Bollen, Emil Gherman und Helge Bömches. Drei von ihnen wurden beim Internationalen Wettbewerb der Gesellschaft der Musikfreunde während der letzten Wiener Festwochen ausgezeichnet, drei hat Prof. Gamsjäger gleich an die Staatsoper engagiert, und drei von ihnen haben auch schon in einer Aufführung von Beethovens Neunter im Musikverein mitgewirkt. (Ihre Bewertung stimmt mit der obigen Reihung auf dem Programm überein.) — Für die Wiedergabe der drei Symphoniesätze konnte man sich nur allmählich erwärmen: Der erste (feierlich, misterioso) blieb ohne Geheimnis und ohne nuancierte Farben, das Scherzo geriet allzu robust (man dachte an die karikierenden Scherzi in den Symphonien von Mahler und Schostako-witsch oder an Honeggers „Pacific“), und dem Trio fehlte es an Präzision, vor allem bei den 1. Violinen, wo indessen Michael Schnitzler beachtliche Führungsqualitäten an den Tag legte. Der 3. Satz schließlich wurde nicht ohne Ausdruck wiedergegeben, aber ohne den speziflisch Brucknerischen. Ob man an Stelle des fehlenden 4. Satzes das Te Deum spielen soll? Diesmal waren wir, ausnahmsweise, dafür...

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung