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Chorkonzert und Liederabende

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Ein a-capella-Konzert, wie es die dem „King's College Chor“ in Cambridge angehörenden „Scholars“ im Brahmssaal absolvierten, hat man in solcher Schönheit und VolLendung schon lange nicht mehr in Wien gehört. Das aus einer Dame und vier Herren bestehende sehr jugendliche Ensemble hat größte Stimmkultur, bestrickende Intonationsrelnheit und erlesene, mit absolutem Gehör verbundene Musikalität zu bieten; von einem hauchzarten Pianissimo bis zu einem einen vollen Chor vortäuschenden Forte sind alle dynamischen Stufen parat, die Einsätze, Temporückungen, Zäsuren und schwierigen Taktwechsel kommen einem Programm zugute, das sich von der geistlichen Musik eines William Byrd, den Madrigalen Morleys und Gibbons und anderer Komponisten der Ellsabethinlschen Zeit über das englische Volksliedschaffen bis auf den modernen Vokaljazz erstreckt. Dabei ist die Ausführung der polyphonen geistlichen Gesänge und Madrigale stimmlich und musikalisch ebenso vornehm und stimmungsdicht, wie die Volkslieder mit erfrischender Rhythmik, Negro Spirituals und Jazzischlager mit dezenter mimischer Untermalung und unglaublicher Wandelbarkeit des Vortrags dargeboten werden. Das begeisterte Publikum des leider nicht sehr gut besuchten Saales konnte sich nach einem langen, 27 Pieeen umfassenden Programm noch immer nicht an einem selten großen Kunstgenuß satthören und erzwang einige Zugaben.

Anton Dermota, jahrzehntelang als Mozartsänger ein Liebling des Wiener Opernpublikums, hat trotz vorgerückten Alters bei seinem Liederabend im Brahmssaal sehr erfreuliche Proben gesanglichen Könnens und vor allem seiner bedeutenden Vortragskunst gegeben. Das von dem Künstler gewählte Programm Beethoven, Schubert, Wolf und Schumann — ließ erkennen,- daß die Stärke seiner Liedinterpretation in allererster Linie auf lyrischem Gebiet liegt und demgemäß Schumanns „Dichterliebe“ trotz leichter Ermüdung als Schlußnummer — und noch mehr Beethovens Zyklus „An die ferne Geliebte“ — die Höhepunkte des Konzertes bildeten. Nicht ganz so gut gelangen die wenigen in den einzelnen Liedern vorkommenden dramatischen Stellen, wie beispielsweise „Ich grolle nicht“ von Schumann. Volles Lob verdienen die deutliche Diktion und die Phrasierung, die der Künstler einer sorgfältigen und nichts dem Zufall überlassenden Selbstkontrolle verdankt. Hilde Berger-Weyerwald war wie immer eine vollwertige Partnerin am Flügel, den sie besonders in den Zwischen- und Nachspielen zu einem wundervollen „Mitsingen“ brachte.

Paul Lorenz

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Die junge rumänische Sopranistin lleane Cotrubas zeigte ihren älteren etablierten und routinierten Kollegen, wie man einen interessanten Liederabend programmiert und zugleich das Publikum von A bis Z zufriedenstellt. Die „Sieben frühen Lieder“ von Alban Berg sind nicht nur wichtige Dokumente, sondern auch angenehm zu hören und dankbar zu singen. — Ihren unvergleichlichen Reiz zeigen immer wieder Claude Debussys „Fetes galantes“ auf Versen von Verlaine — übrigens der Musik Bergs eng verwandt. Den

zweiten Teil des Programms bildeten zwei Zyklen zu je fünf Gesängen von Michael Glinka und Sergej Rachmaninow, die lleane Cotrubas im der Originalsprache vortrug: Raritäten, Kostbarkeiten, lyrisch und sentimental, russischer Salon des 19. Jahrhunderts, für den ja auch Tschaikowsky geschrieben hat. Mit bemühter Aussprache, schönem, edlen Timbre und individuellem Ausdruck sang die bereits auch als Opernsängerin erfolgreiche Sopranistin alle diese Lieder und Romanzen auswendig. Das begeisterte Publikum im überfüllten Brahmssaal erhielt als Zugabe die „Pastorale“ von Strawlnsky. Sie wolle — so sagte die Sängerin das Liedchen an — den Text gerne übersetzen, aber er sei zu kompliziert. In Wirklichkeit handelt es sich um eine Vokalise auf die Laute a und u. Das war wirklich sehr lustig. („Mir scheint, der Vogel hat Humor!“)

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